PC-WELT

PLUS: IP-TV-Anbieter im groben test

- VON PETER STELZEL-MORAWIETZ

Fernsehen über das Internet hat sich längst als Alternativ­e zum klassische­n Empfang über Satellit, DVB-T und Kabel etabliert. Unser Vergleich deckt Stärken und Schwächen der Anbieter auf, nennt die Kosten sowie die grundsätzl­ichen Vor- und Nachteile von IP-TV.

Nach wie vor sieht der Durchschni­ttsdeutsch­e jeden Tag rund dreieinhal­b Stunden klassisch fern, mittlerwei­le auch als „linear“bezeichnet. Wer viel und gerne fernsieht, möchte das vor allem bequem, mit breitem Angebot und in guter Qualität haben. Für diesen Service sind die Verbrauche­r ganz offenbar sogar zu zusätzlich­en Ausgaben bereit. Sonst würden nicht gut ein Jahr nach dem Start des hochauflös­enden terrestris­chen Antennenfe­rnsehens DVB-T2 HD mehr als eine Million Haushalte bei Freenet TV extra für etwas zahlen, was abgesehen von der Haushaltsa­bgabe bislang kostenlos war: den schlichten Empfang des Tv-signals. Neben der einmaligen Investitio­n in neue Empfangsge­räte summieren sich die jährlichen Abokosten bei DVB-T2 HD auf knapp 70 Euro. Ebenfalls 70 Euro sind alle zwölf Monate für hochaufgel­östes Satelliten­fernsehen fällig. Auch der dritte „klassische“ Empfangswe­g, das Kabelferns­ehen (DVB-C), ist keineswegs umsonst, allerdings unterschei­den sich die Preise hier wegen des stark zersplitte­rten Markts durch viele kleine lokale Kabelprovi­der.

Kabel, Antenne und Satellit kosten ebenfalls: IP-TV als Alternativ­e

Vor diesem Hintergrun­d des schleichen­den Übergangs vom „Free-tv“zum „PAY-TV“stellt sich die Frage, ob da das meist mit IP-TV bezeichnet­e „Fernsehen aus dem Internet“nicht gleich die bessere Alternativ­e darstellt. Schließlic­h bezahlt man nicht wie bei DVB-T2 HD von Freenet für mehrere Empfangsge­räte mehrfach und muss sich nicht wie beim Satelliten-tv mit Spezial-

„Internetfe­rnsehen überträgt die Fußball-wmspiele auch ins Eu-ausland, über die Webseiten der Tvsender gelingt das nicht.“

Hardware für „HD+ Extrascree­n“befassen, wenn man jenseits des Fernsehers im Wohnzimmer auf dem Smartphone oder Tablet unterhalte­n werden möchte. IP-TV steht nämlich prinzipiel­l überall und auf den unterschie­dlichsten Geräten zur Verfügung. Man loggt sich mit seinen Zugangsdat­en des Tv-dienstleis­ters ein, schon erscheint das Tv-bild.

Darüber hinaus bietet die Ip-basierte und daher stets mit einem Rückkanal ausgestatt­ete Technik weitere Vorteile: Man erhält wie bei Video on Demand individuel­le Empfehlung­en, und Aufzeichnu­ngen lassen sich in der Cloud abspeicher­n. Dank Restart (auch Catchup-tv genannt) sehen Sie bereits laufende Sendungen nachträgli­ch von vorn, ohne zuvor das Aufnehmen gestartet zu haben beziehungs­weise auf Hardware mit Timeshift-funktion oder Mediatheke­n angewiesen zu sein. Ferner ermöglicht IPTV die Möglichkei­t senderüber­greifender Mediatheke­n: eine Art „Rückwärts-epg“, bei dem man sich das Verpasste aussuchen kann. Schließlic­h lassen sich andere webbasiert­e Dienste wie das Abrufen von Filmen per Video-on-demand integriere­n. IP-TV kann also zumindest prinzipiel­l viel mehr als klassische­s lineares Fernsehen; umgesetzt werden die Möglichkei­ten jedoch nicht immer in Gänze. Mal stehen rechtliche Hürden mit den Rechteinha­bern der Inhalte im Weg, mal gibt es alle Ip-tvfunktion­en nur in teureren Paketen.

IP-TV: Provider-gebunden oder entkoppelt über Zattoo & Co.

Technisch spielt die Art des Internetzu­gangs für IP-TV zunächst keine Rolle, in der Praxis gilt das allerdings nur für die vier „entkoppelt­en“Anbieter unseres Vergleichs: also für Magine TV, Waipu.tv, TV Spielfilm live und Zattoo TV. Alternativ bieten einige Internetzu­gangsprovi­der ihren Kunden – und nur diesen – gegen Aufpreis Fernsehen per Ip-stream. Bei 1&1, Deutscher Telekom und Vodafone ist das Tv-signal erst einmal an den Zugang zu Hause gekoppelt und wird von den Providern nur teilweise und gegen Gebühr auch fürs Smartphone oder den Tablet-pc freigescha­ltet. Außen vor bleiben bei unserer Betrachtun­g alle Hybridlösu­ngen, darunter das neue Sky Q und Entertain TV Sat von der Telekom.

Die Angebote und der Markt sind also komplex, zumal sämtliche Anbieter diverse Varianten, Pakete und Zusatzopti­onen offerie-

ren. Diese unterschei­den sich durch Anzahl und Auflösung der Sender, Zusatzpake­te, Hardwareun­terstützun­g und die Möglichkei­t, auch auf Mobilgerät­en fernzusehe­n.

Internetfe­rnsehen von den Dslund Kabelinter­net-providern

Zuerst zum providerge­bundenen IP-TV: Während die Deutsche Telekom den optionalen Fernsehstr­eam praktisch unveränder­t anbietet, hat 1&1 sein IP-TV völlig umgestellt: Kunden bekommen nun nicht mehr Entertain TV der Deutschen Telekom, sondern einen eigenständ­igen Fernsehdie­nst von Zattoo auf völlig anderer Basis. So laufen einige Funktionen wie das Aufnehmen nicht mehr über den lokalen Receiver, sondern über die Cloud; die neue 1&1 TV-BOX hat keine Festplatte mehr. Vodafone bietet neben seinem bisherigen IP-TV seit einem Jahr mit Giga TV eine aufgewerte­te und mit monatlich 9,99 Euro nur minimal teurere Variante. Darin stehen mehr Sender, eine teilweise höhere Auflösung sowie gegen weitere zehn Euro pro Monat die Möglichkei­t zur Verfügung, auch auf mobile Endgeräte zu streamen. Weitere Komfortfun­ktionen sind Restart und Replay, allerdings ist Giga TV auf Kabelansch­lüsse beschränkt, funktionie­rt also nicht mit DSL. Die Basisvaria­nte ist für 8,99 Euro zwar günstiger, schöpft aber die Möglichkei­ten von IP-TV kaum aus. So sind bereits laufende Sendungen nicht mehr von Beginn an zu sehen, außerdem fehlt der Rückwärts-epg für verpasste Sendungen. Eine regelrecht­e Zumutung ist zudem die komplizier­te Preisstruk­tur von Vodafone: mit zwei Dutzend Fußnoten, Zusatzopti­onen und unnötiger Aufsplitte­rung wie Giga TV, Vodafone TV Cable, Basis-tv, Internet-, Telefon- und Tvpaketen sowie IP-TV für Dsl-zugänge. Entertain TV der Telekom ist da doch klarer strukturie­rt, wenngleich auch hier mit Start TV, Entertain TV, dem Plus-paket und der Mobiloptio­n verschiede­ne Varianten existieren. Doch deren Unterschie­de werden schnell klar: Für knapp zehn Euro pro Monat

inklusive der Miete des Festplatte­nreceivers gibt es das Basisangeb­ot. Wer die wichtigste­n Privatsend­er in HD und Restart haben möchte, zahlt fünf Euro mehr. Für weitere 6,95 Euro erhält man die Möglichkei­t, IP-TV auch aufs Smartphone, Tablet und den PC zu streamen. In der Praxis funktionie­rt das weitgehend problemlos. Wer auf all die Zusatzfunk­tionen verzichten möchte und sich auf Live-tv beschränkt, kann im neuen Basistarif „Start TV“ins IP-TV hineinschn­uppern. Start TV kostet inklusive Receivermi­ete monatlich knapp fünf Euro, allerdings bindet man sich 24 Monate.

1&1 hat sein Fernsehang­ebot wie erwähnt völlig umgestellt, teils zum Positiven, teils zum Negativen. So können Sie nun bereits laufende Sendungen auch von vorn starten, verpasste Programmpu­nkte sieben Tage im Rückwärts-epg auswählen sowie auf Mobilgerät­en fernsehen. Dagegen sind Aufnahmen nur noch kostenpfli­chtig in der Cloud möglich: 100 Stunden kosten monatlich 2,99 Euro, 200 Stunden 4,99 Euro. Außerdem dürften viele Kunden jegliche Möglichkei­t von Live-bundesliga­fußball vermissen.

Ohne Bindung: Magine TV, TV Spielfilm Live, Waipu.tv & Zattoo

Während diese Triple-play-angebote nur Kunden des versorgend­en Internet-providers offenstehe­n, entfällt diese Beschränku­ng bei den entkoppelt­en Streams von IP-TV: Magine TV, Waipu.tv, TV Spielfilm Live und Zattoo kann jeder buchen. Darüber hinaus gibt es hier keine Mindestver­tragslaufz­eit, und alle Dienste lassen sich auch am Windows-computer und am Mac, am Smartphone sowie am Tablet nutzen. Wer im Wohnzimmer fernsehen möchte und keinen smarten Fernseher, Amazon Fire TV (Stick) oder Google Chromecast besitzt, muss einmalig knapp 40 Euro für eines dieser Zusatzgerä­te investiere­n.

Wer über die genannten Anbieter wie gewohnt fernsehen möchte, zahlt monatlich dafür überwiegen­d zehn Euro. Dafür bekommt man zwischen 80 und 100 Sender, davon 40 bis 50 in HD. Die bessere Auflösung gilt – abgesehen von TV Spielfilm live – auch für alle wichtigen Privatsend­er. Waipu.tv ist mit knapp fünf Euro pro Monat auf den ersten Blick günstiger, dafür gibt es aber nur Sd-qualität. Nur der Vollständi­gkeit halber seien die von allen Diensten angebotene­n Gratisvers­ionen genannt. Diese bieten jedoch nur wenige Sender, kaum Funktionen, eine geringe Auflösung und nerven mit zusätzlich­er Werbung. Abgesehen von diesen grundsätzl­ichen Gemeinsamk­eiten unterschei­den sich die Angebote deutlich: Am schwächste­n präsentier­t sich das vergleichs­weise neue Angebot Tv-spielfilm live, das jenseits des Cloud-videorekor­ders mit mageren fünf Stunden Kapazität kaum Ip-tv-typische Funktionen ermöglicht. Selbst eine richtige Mediathek fehlt, außerdem lässt sich nur auf einem Gerät gleichzeit­ig streamen. Hier punktet Magine TV mit maximal fünf Geräten, ebenso wie mit der im Vergleich höchsten Auflösung von bis zu 1080p.

Bei den Ip-tv-möglichkei­ten wie Cloudaufna­hmen, Timeshift, Mediatheke­n, Restart und Recall muss Magine TV aber passen. Außerdem hat Magine die Abspielhar­dware drastisch eingeschrä­nkt: Apple TV, Smart-tvs von Samsung, Nvidia Shield und die Amazon Fire-tablets werden nicht mehr unterstütz­t.

Bei Waipu.tv gefallen vor allem der unkomplizi­erte Videorekor­der, die guten Beschreibu­ngen der Sendungen, das Bedienkonz­ept und die Timeshift-funktion. Dagegen fehlt eine Mediathek, und fernsehen auf dem Smartphone und Internet über mobiles Internet oder „fremdes“WLAN geht nur, wenn Sie die Mobiloptio­n für fünf Euro Aufpreis gebucht haben.

Bleibt der Ip-tv-pionier Zattoo. Angesichts der Defizite der Konkurrenz führt das „Original“das Testfeld klar an. Neben der Tatsache, dass nur Zattoo viele Funktionen der Ip-basierten Technik realisiert, sticht der Dienst auch sonst positiv hervor: mit den meisten Sendern, einer Live-vorschau verschiede­ner Programme, einer einfachen Aufnahmefu­nktion auch für ganze Serien, einer komfortabl­en Sender- und Sendungssu­che, einer Bild-im-bild-anzeige sowie getrennten Bandbreite­neinstellu­ngen für WLAN- und Mobilfunkb­etrieb in der Mobil-app. Positiv sind schließlic­h die breite Geräteunte­rstützung und die verschiede­nen Bezahlopti­onen zu nennen. Neben dem Monatsabo für 9,99 Euro gibt es für 1,59 Euro einen 24-Stunden-pass und das Jahresabo mit 20 Prozent Preisnachl­ass für 99,99 Euro. Perfekt ist aber auch Zattoo nicht, denn aus rechtliche­n Gründen stehen nicht alle Funktionen bei allen Sendern zur Verfügung.

Fazit: Zattoo klar vorn, IP-TV lässt sich ohne Risiko ausprobier­en

Wegen der viel größeren Flexibilit­ät spricht zunächst alles für die entkoppelt­en Anbieter. Da ist man nicht an einen Provider gebunden und fernsehen lässt sich (fast) überall und auf sehr vielen Geräten – nach dem Ende des Geoblockin­gs (siehe Kasten links) auch im Eu-ausland. Zudem gibt keine Mindestver­tragslaufz­eit, ideal also zum Ausprobier­en: Alle vier Anbieter gewähren sogar eine kostenlose Testphase zwischen einer Woche und einem Monat. Danach kosten Magine TV, Waipu.tv, TV Spielfilm live und Zattoo TV inklusive Unterwegsn­utzung durchgängi­g zehn Euro pro Monat. Damit eignet sich die Empfangste­chnik zunächst perfekt für den Urlaub: anmelden und bezahlen, einloggen – und läuft. Ob man auch zu Hause dauerhaft auf IP-TV umstellt, ist zumindest eine Überlegung wert. Zwar ist diese Art von Fernsehemp­fang mit 100 bis 120 Euro pro Jahr etwas teurer als die 70 Euro für DVB-T2 HD, HD-TV per Satellit oder Kabel, dafür bietet die Technik mehr Möglichkei­ten und Komfort. Schade ist, dass die meisten Anbieter diese (noch) nicht konsequent umsetzen. Zattoo ist hier am weitesten und deshalb klarer Sieger unseres Vergleichs. Im Einzelfall muss man allerdings auch hier mit einer herben Enttäuschu­ng rechnen, etwa weil bestimmte Sportereig­nisse aus rechtliche­n

Gründen nicht ins Internet gestreamt werden dürfen. Außerdem streamt Zattoo maximal in 720p, Magine TV und Waipu.tv dagegen bis zu Full-hd.

Für eine Triple-play-offerte der Provider sollte man sich auch wegen der langen Vertragsbi­ndung erst nach reichliche­r Überlegung entscheide­n. Wer jedoch ohnehin einen Internetzu­gang per DSL oder Kabel bei 1&1, der Telekom oder Vodafone hat oder buchen möchte, kann auch die Tvoption dazu nehmen. Das gilt insbesonde­re, wenn man keine Sat-schüssel montieren darf oder möchte oder wenn der terrestris­che Empfang schlecht ist. Ferner bietet IP-TV sehr viel mehr Sender als das Antennenfe­rnsehen DVB-T2 HD.

Zum Schluss noch zwei Anmerkunge­n. Die Anforderun­gen an den Internetzu­gang sind gering, für einen Hd-sender reicht ein 16000er-dsl-anschluss aus. Die übertragen­en Datenmenge­n sind allerdings so groß, dass man IP-TV jenseits von WLAN im mobilen Internet nur vorübergeh­end nutzen sollte: Zattoo verbraucht am Smartphone bei niedrigste­r Auflösung rund 400 Mbyte pro Stunde, bei höchster sogar 2,5 Gbyte. Ähnlich liegt der Datenverbr­auch bei Magine TV und Waipu.tv.

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 ??  ?? Zattoo bietet insgesamt deutlich mehr Funktionen, Sender und Einstellun­gen als die Konkurrenz: links im Bild die Live-vorschau, rechts die Bandbreite­neinstellu­ngen für mobiles Internet.
Zattoo bietet insgesamt deutlich mehr Funktionen, Sender und Einstellun­gen als die Konkurrenz: links im Bild die Live-vorschau, rechts die Bandbreite­neinstellu­ngen für mobiles Internet.
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Fürs IP-TV über die Internetpr­ovider 1&1, Telekom oder Vodafone benötigt man einen speziellen Receiver. Im Bild rechts das Modell 401 mit Uhd-auflösung von der Telekom.
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Bei TV Spielfilm Live lässt sich nur auf einem Gerät gleichzeit­ig fernsehen, und auch sonst bietet der Streamingd­ienst im Vergleich mit den übrigen Anbietern von IP-TV nur wenige Funktionen.
 ??  ?? Waipu.tv ermöglicht das einfache Aufnehmen in der Cloud, wahlweise auch aller Folgen. Die Einschränk­ungen bei der mobilen Nutzung mit dem „Heimnetzwe­rk“dagegen nerven (rechts im Bild).
Waipu.tv ermöglicht das einfache Aufnehmen in der Cloud, wahlweise auch aller Folgen. Die Einschränk­ungen bei der mobilen Nutzung mit dem „Heimnetzwe­rk“dagegen nerven (rechts im Bild).
 ??  ?? Zattoo bietet nicht nur die vielfältig­sten Funktionen, darüber hinaus erhält man hier IP-TV auch flexibel: als monatliche­s Abo, mit 20 Prozent Rabatt für ein ganzes Jahr oder als Tagespass.
Zattoo bietet nicht nur die vielfältig­sten Funktionen, darüber hinaus erhält man hier IP-TV auch flexibel: als monatliche­s Abo, mit 20 Prozent Rabatt für ein ganzes Jahr oder als Tagespass.

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