Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
INTERVIEW „Die Unizeit als Grundlage für alles“
Dieter Nuhr wäre fast Kunstlehrer geworden – im Gespräch mit „campus + co“erzählt er, warum es nicht dazu kam.
Dieter Nuhr (57) hat an der Universität- Gesamthochschule Essen Bildende Kunst und Geschichte auf Lehramt studiert. Heute ist er einem breiten Publikum als Kabarettist, Autor und Moderator bekannt und für seine Arbeit mehrfach ausgezeichnet worden. Über seinen Werdegang und die Lehren aus der UniZeit sprach Katharina Hamacher mit ihm. Herr Nuhr, waren Sie als Student eher in der Bibliothek oder auf Partys zu finden? NUHR Ich wusste nicht, dass das eine das andere ausschließt. In der Tat wurde viel gefeiert, gut so. Aber da Google noch nicht erfunden war, war man auch viel in der Bibliothek. Die meiste Zeit habe ich wahrscheinlich im Atelier verbracht. Ich habe Kunst studiert, Malerei, und wahrscheinlich mehr Lebensjahre durch Terpentin verloren als durch Alkohol. Damals wurde ja auch noch überall gequalmt. Heute hoffe ich, dass sich der Mix damals gegenseitig neutralisiert hat. Das wäre schön ... Sie haben auf Lehramt studiert und das Erste Staatsexamen abgeschlossen. Warum haben Sie diese Richtung dann aber nicht weiterverfolgt? NUHR Die letzten Studienjahre waren wir schon nebenbei auf Tournee, eine großartige Zeit! Da dachte ich, das machst du auch nach dem Examen noch ein paar Jahre weiter. Dabei ist es dann geblieben. Es ist erheblich erfreulicher, vor Freiwilligen aufzutreten. Ich bin sehr dankbar, dass alles so gekommen ist. Das war ja ungeplant. Es ist einfach passiert. Das ist eine unterschätzte Tatsache. Heute glauben alle, sie würden ihr Leben planend organisieren. In Wirklichkeit ist es so: Die wirklich wichtigen Dinge passieren einfach. Dann muss man umplanen. Chancen ergreifen zu können, ist wichtiger als jede ausgefeilte Planung. Was hat sie ursprünglich am Lehrberuf gereizt? NUHR Die Idee war eher meiner Ideenlosigkeit entsprungen als einer vermeintlichen Neigung zum Pädagogischen. Wir waren als grün-alternativ Sozialisierte der 1970er dem Karrieregedanken abgeneigt. Viele meiner Kommilitonen hatten genau wie ich keine Ahnung vom echten Leben und deshalb den Entschluss gefasst, auf der Schule zu bleiben, da kannte man sich aus. Viele von denen sind immer noch Lehrer und sehen die Welt ausschließlich durch die Scheiben des Lehrerzimmers. Ein bisschen mehr Vermischung von Welt und Schule wäre wünschenswert. Heute sind sie als Kabarettist, Autor und Moderator erfolgreich. Haben Ihnen die Inhalte Ihres Studiums bei Ihrer Karriere geholfen? NUHR Ich habe fast alles, was ich heute zum Arbeiten brauche, an der Hochschule gelernt: Logik, Recherche, Quellenanalyse, eigenständiges Denken. Im besten Fall nimmt man an einer Hochschule nicht nur Informationen auf, sondern lernt die Kunst der Informationsaufnahme und -abwägung. In Zeiten von Fake-News keine unwichtige Aufgabe ... Sie fotografieren und stellen Ihre Kunst in Galerien und Museen aus. Inwiefern finden sich in Ihren Arbeiten Einflüsse aus ihrem Studium wieder? NUHR Ich habe ja Malerei studiert und seitdem immer weiter Bilder gemacht. Heute sind die Bilder großformatige Fotografien aus aller Welt, von Mali bis Bhutan, von Chile bis zum Jemen, Nordkorea oder Japan.