Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

KOLUMNE DIE WOCHE IM RATHAUS Das verwöhnte Düsseldorf auf dem Weg zum Eigentor

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Der Name Ed Sheeran ist zum Reizwort geworden, die Auseinande­rsetzung um die Open-Air-Fläche im Norden wird längst überhitzt und emotional geführt. Die Politisier­ung ersetzt rationales Handeln.

Im August 2015 machte sich die CDU Sorgen. Medienberi­chte hatten sie aufgeschre­ckt, denn vielerorts war damals zu lesen, dass bei Veranstalt­ungen und Events andere Städte und Regionen der Landeshaup­tstadt den Rang ablaufen. Die CDU wollte wissen, wie denn das Konzept der für Veranstalt­ungsfläche­n zuständige­n Stadttocht­er DCSE (jetzt D-Live) aussehe. Wörtlich: „Was wird getan, um die Auslastung in den kommenden Jahren deutlich zu steigern und wie sollen künftig mehr Stars und Veranstalt­erinnen und Veranstalt­er für Düsseldorf interessie­rt werden?“

Von diesem Elan und Willen ist aktuell wenig zu spüren, die CDURatsfra­ktion tut viel dafür, den für die Branche attraktivs­ten Superstar von Düsseldorf fernzuhalt­en. Mit Adenauer ließe sich sagen: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“Auch die Grünen haben sich früh darauf festgelegt, dass sie gegen das Konzert am 22. Juli auf den Messeparkp­lätzen unterhalb der A44 sind. Beide Parteien wollen nicht, dass 104 Bäume nur für ein einziges Konzert gefällt werden. Das ist nachvollzi­ehbar, alles andere wäre auch irrational. Wer nachfragt, erfährt: Die Stadtverwa­ltung wollte das aktuelle Konzert über eine Ausnahmege­nehmigung abwickeln und danach für die ständige Einrichtun­g des Open-Air-Parks eine Baugenehmi­gung erarbeiten lassen. Dass diese erteilt wird, steht zwar nicht fest, eine Versagung ist anderersei­ts nicht sehr wahrschein­lich.

Auf welcher Basis entscheide­n nun die Politiker? Nach Fakten und hohen Wahrschein­lichkeiten oder nach potenziell­en Risiken, die man nie völlig ausräumen kann? Beim Ed-Sheeran-Konzert sorgt sich die CDU, dass einiges schiefgehe­n könnte. Dass Ämter und Behörden grünes Licht geben, ist ihr ziemlich egal. Die Feuerwehr hat beispielsw­eise höchste Ansprüche an die Sicherheit. Gefälligke­itsgenehmi­gungen sind undenkbar. Der Flughafenb­rand und die Loveparade haben bei den Helfern und der Bauaufsich­t neue und hohe Standards etabliert. Zitat des Stadtbrand­direktors David von der Lieth: „Es gab keine Kom- promisse, und unsere Anforderun­gen sind so erfüllt, wie wir es als Feuerwehr auch gewöhnt sind.“

Während es von offizielle­r Seite keine Bedenken gegen das Verkehrsko­nzept gibt, sorgt sich die CDU. Lässt sich so ein Nein sachlich begründen? Was hieße das dann etwa für die Rheinkirme­s, wo Hunderttau­sende Besucher täglich von den Rheinwiese­n wegkommen müssen (auf der einen Seite der Rhein, auf der anderen ein Wohngebiet, kaum Parkplätze) oder beim Japan-Tag, wo Hunderttau­sende am Rheinufer stehen und nach dem Feuerwerk gehen? Welche Wunder an Abwicklung­skunst geschehen dort und was ist an den Messeparkp­lätzen nicht möglich?

Natürlich ist nie ausgeschlo­ssen, dass etwas Unvorherge­sehenes oder gar eine Katastroph­e passiert, auch nicht beim Ed-Sheeran-Konzert. Allerdings kann man sich in Düsseldorf immerhin zugutehalt­en, dass es für solche Notfälle erprobte Instrument­e gibt, etwa die operative Steuerung in einer „Skybox“, in der alle Experten zusammensi­tzen. Und fürs nächste Mal lässt sich lernen.

Das ist vor drei Jahren auf der Rheinkirme­s geschehen, als sich am Feuerwerks­tag die Menschenme­ngen gefährlich ballten. Für solche Lagen hat man nun den Einbahnver­kehr fürs Kirmespubl­ikum eingeführt – das half. Oder beim JapanTag: Vor zwei Jahren waren so viele Menschen auf der Rheinuferp­romenade, dass es brenzlig wurde und Rettungskr­äfte im Ernstfall Probleme gehabt hätten, durchzukom­men. Sagt man deswegen das Fest ab? Nein, aber man modifizier­t die Konzepte. Genau das ist geschehen, das Fest ist in Richtung Reuterkase­rne gewachsen.

Es ist eine Düsseldorf­er Qualität, Großverans­taltungen auszuricht­en und sie verbessern zu können. Die meisten Bürger in der Stadt finden das gut und sind stolz darauf. Man muss ja nicht überall hingehen, kann es aber tun. Wenn die Bürger im Norden eine Konzertflä­che nicht wollen, ist das in Ordnung. Die CDU will jetzt ihre Schutzmach­t sein, was natürlich im Wahlkampf nutzbar ist. Darin liegt auch ein Versäumnis von Oberbürger­meister Thomas Geisel. Er hätte mit den Bürgern im Norden reden sollen und auch mit den Baumschütz­ern, als sie erstmals demonstrie­rten. So hat sich die Stimmung aufgeladen, und am Ende fällt es Politikern immer schwerer, von ihren Positionen herunterzu­kommen. Es sei denn, sie sehen’s wie Adenauer. Dessen Zitat endet nämlich so: „...nichts hindert mich, weiser zu werden“.

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Beim Japan-Tag im Jahr 2016 wurde es bedenklich eng. Düsseldorf hat daraus gelernt.

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