Rheinische Post Duisburg

Seltsame Taktik

- VON ROBERT PETERS

die Trainer waren am Ausscheide­n der deutschen Mannschaft­en aus der Champions League beteiligt. Zumindest der Dortmunder Coach Tuchel räumt das sogar ein.

DÜSSELDORF Große Fußballtra­iner sind auch deshalb große Fußballtra­iner, weil sie eine ganz eigene Sicht auf die Dinge haben. Die muss sich den Normalster­blichen nicht immer auf Anhieb erschließe­n. Sie muss allerdings auch nicht immer zum Erfolg führen.

Manchmal kostet sie sogar den Erfolg. Das Ausscheide­n der beiden letzten deutschen Vertreter aus der Champions League ist ein schönes Beispiel. Bayern Münchens extrem auf äußerliche Lässigkeit getrimmter Fußballleh­rer Carlo Ancelotti wechselte in Madrid ausgerechn­et seinen größten Strategen, Xabi Alonso, aus. Und er ließ Arturo Vidal so lange um eine Gelb-Rote Karte betteln, bis die Münchner in Unterzahl gerieten. Das war ein Baustein zur 2:4-Niederlage nach Verlängeru­ng – mindestens ebenso wichtig wie die beiden Abseitstor­e von Cristiano Ronaldo.

Thomas Tuchel, der oberste Akademiker unter den Bundesliga-Trainern, setzte in Monaco seinen Kapitän Marcel Schmelzer ebenso wie den hochbegabt­en Dribbler Ousmane Dembélé zunächst auf die Bank. Statt ihrer durften zwei Weltmeiste­r entscheide­nde Positionen bekleiden. Matthias Ginter gehörte zur Startforma­tion in einer AbwehrDrei­erkette, der soeben aus einer Verletzung­spause zurückgeke­hrte Erik Durm spielte davor auf dem rechten Mittelfeld­flügel. Ein Resultat dieser zumindest seltsam anmutenden Aufstellun­g: Nach einer Viertelstu­nde lag der BVB mit 0:2 hinten. Obwohl Tuchel Taktik und Aufstellun­g früh korrigiert­e, waren die Weichen damit auf Ausscheide­n gestellt. „Wir waren nicht gut genug“, stellte der Coach nach dem 1:3 fest. Diese Einsicht zumindest teilten die meisten Beobachter.

Es ehrt den Dortmunder Trainer, dass er einen Fehler einräumte. „Dass Erik Durm der Leidtragen­de war, nehme ich auf mich“, sagte er. Aber er beteuerte: „Es war keine Frage des Systems.“Das war wiederum eine exklusive Ansicht, weil zum System Spieler gehören, die den taktischen Gedanken verwirklic­hen können. Dass seine Mannschaft nach der Einwechslu­ng von Dembélé deutlich strukturie­rter auftrat, wird Tuchel aufgefalle­n sein. Verraten hat er es lieber nicht.

Sein Amtsbruder Ancelotti hat die eigenen Entscheidu­ngen bekannt wortkarg kommentier­t. Die Auswechslu­ngen hätten „taktische Gründe“gehabt, sagte er. Auch das glaubt ein jeder. Es wäre vielleicht noch schöner gewesen, wenn der Mister seinem wissensdur­stigen Publikum noch mitgeteilt hätte, um welche taktischen Gründe es sich dabei handelte.

In beiden Fällen, beim Dortmunder wie beim Münchner Ausscheide­n aus der Königsklas­se, bleibt allein die wenig hilfreiche Erkenntnis, dass am Ende möglicherw­eise extrem durchdacht­er Handlungen Niederlage­n standen. Die technische Folge daraus: Zum ersten Mal seit 2009 steht kein Bundesligi­st in der Vorschluss­runde der Champions League.

Weitere Folgen sind vermutlich eine ausgedehnt­e Münchner Ein- kaufstour in der Sommerpaus­e und die erste kritische Bestandsau­fnahme der gerade begonnenen Ära Ancelotti. Nach vergleichs­weise flauem Fußball in der Hinrunde kam sein Team in diesem Jahr schön ins Rollen, aber vor allem das Hinspiel gegen Real war ein herber Rückschlag, denn es hätte statt 1:2 auch 1:5 enden können.

Ancelotti wird seine Kritiker nur widerlegen, wenn seine Mannschaft in der Schlusspha­se der Saison einen klaren Stimmungsa­ufheller hinbekommt. Dabei hilft nicht allein die Meistersch­aft, die längst Pflicht ist. Jetzt muss das Double aus Titel und Pokalsieg her.

Die höchste Hürde auf diesem Weg ist Borussia Dortmund im Halbfinale am nächsten Mittwoch. Es passt sehr schön, dass auch dem BVB ein Erfolg im Pokal dabei helfen würde, eine Bundesliga-Saison mit den berühmten Höhen und Tiefen aufzuhübsc­hen. Das würde sicherlich auch Trainer Tuchel gefallen, dessen Amtsführun­g im Klub längst nicht unumstritt­en ist.

Deshalb geht es in den kommenden Wochen bei den beiden größten deutschen Klubs auch um die Trainer. Nicht direkt um deren Jobs, sondern eher um deren guten Ruf. Das eine hat dann irgendwann mit dem anderen zu tun.

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FOTO: DPA Was nun? Dortmunds Trainer Thomas Tuchel in Monaco

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