Rheinische Post Duisburg

Borussia ist sich selbst ein Rätsel

- VON JANNIK SORGATZ

Gladbachs 1:5 beim FC Bayern wirft Fragen auf: Wollte das Team nicht oder konnte es nicht besser?

MÜNCHEN Die Erschließu­ng neuer Einnahmequ­ellen ist ein Dauerthema im Profifußba­ll. Nach dem 1:5 gegen den FC Bayern klang es fast, als hätte sich Borussia Mönchengla­dbach die Rechte gesichert, die Lottozahle­n exklusiv in Nach-SpielInter­views zu verkünden. 15, 20, 25, 30, 37, 45 – das hätten die sechs Richtigen sein können. Doch in Wirklichke­it ging es um die Frage, wie viele Minuten lang die Gladbacher nun ein „gutes“oder zumindest „ordentlich­es“Spiel gemacht hatten. Je kleiner die Zahl, desto treffender fiel die Analyse aus, solange die Zahl größer war als zwölf. Denn in jener Minute schoss Thorgan Hazard aufs Tor und wurde abgeblockt – es sollte Borussias letzter Versuch bis zum Abpfiff bleiben.

Dieter Heckings Mannschaft war das vielzitier­te „Bonusspiel“keineswegs ideenlos angegangen. „Wir sollten schauen, dass wir die eine oder andere Ballbesitz­passage haben. Erstens ist das unser Spiel und zweitens ist es nicht das Spiel der Münchner, wenn sie nicht den Ball haben“, hatte sein Mittelfeld-Organisato­r Christoph Kramer schon am Mittwoch gesagt. Der Plan stand. Auf diese Weise schafften die Glad- bacher es tatsächlic­h nicht nur, die erste Viertelstu­nde mit mehr Spielantei­len als der Gegner zu beenden, sondern auch früh durch Josip Drmic in Führung zu gehen.

„Das hätte uns Zutrauen geben sollen“, sagte Hecking später desillusio­niert und wütender als sonst. „So darfst du nicht auftreten. Darüber werden wir zu reden haben.“Wobei Kramer, von den Bayern wie seine Kollegen auf links gedreht, auf Stichworte wie „Zutrauen“, „Respekt“und „Mut“gereizt reagierte. „Es hat nichts mit Mut zu tun“, sagte er. „Wenn man es nicht erklären kann, nimmt man immer so emo- tionale Dinge.“Woran hatte es stattdesse­n gelegen? Über die beschreibe­nde Ebene kam Kramer – keine 45 Minuten nach Spielende, so viel Nachsicht sei aufgebrach­t – nicht hinaus. „Wenn Welle um Welle kommt, was willst du da machen? Du bist kaputt, hast hundertmal verschoben, in der 70. Minute gefühlt Blasen an den Füßen, kamst in keinen richtigen Zweikampf, haust nur den Ball nach vorne – und dann kommt die nächste Welle“, sagte er.

Wie Borussia nach 15 Minuten das Spielen einstellte, sah aus, als würde sich die Elf distanzier­en von ihrem entschloss­enen, mutigen und passgenaue­n Auftritt. Die Anfangspha­se wirkt im Nachhinein wie eine Filmpreis-Bewerbung in der Kategorie „Bester fiktionale­r Kurzfilm“. Hecking hatte genau wie Kramer prophezeit, was passieren würde, wenn Borussia von ihrem Plan abweicht. „Wenn wir uns nur hinten reinstelle­n, werden sie uns trotzdem irgendwann auseinande­rspielen“, sagte er. Mit „trotzdem“war die Elf der Bayern gemeint, die Trainer Jupp Heynckes im Vergleich zum Champions-League-Spiel gegen den FC Sevilla auf sieben Positionen verändert hatte.

Naturgemäß gibt es nur zwei Gründe für Gladbachs Systemabst­urz: entweder die Mannschaft wollte nicht oder sie konnte es nicht besser. Der optimale Start gegen die Bayern erschwert allerdings die Beweisführ­ung, falls sich die Spieler darauf berufen, dieses 0:5 von der 16. bis zur 90. Minute mit 0:20 Torschüsse­n und nur 25 Prozent Ballbesitz spiegele ihr Leistungsv­ermögen wider. „Beschämend“und „indiskutab­el“nannte Manager Max Eberl das Bild, das Borussia bei der höchsten Niederlage gegen die Bayern seit 1986 (damals 0:6) abgab. Die neuen Fragen, die die Pleite aufgeworfe­n hat, benötigen spätestens nach dem Saisonende eine Antwort.

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