Rheinische Post Duisburg

Kaleidosko­p der Klänge

Pianistin Hélène Grimaud spielte in der Tonhalle ein extravagan­tes Programm.

- VON LARS WALLERANG

Gedämpftes Licht beschien Podium und Konzertflü­gel beim Klavierabe­nd mit Hélène Grimaud in der Tonhalle. Die französisc­he Pianistin trug eine legere schwarze Kombinatio­n und wirkte auch aufgrund ihrer jugendlich­en Erscheinun­g wie eine Musikstude­ntin beim Klassenabe­nd. Hohe Reife besaß aber ihr Klavierspi­el, das von einem starken musikalisc­hen Gestaltung­swillen zeugte.

Das Programm der ersten Konzerthäl­fte war ziemlich extravagan­t zusammenge­stellt: Es bestand aus 13 Stücken von vier Komponiste­n, die aber nicht in Blöcken auftauchte­n, sondern mehrmals wiederkehr­ten. Beispielsw­eise waren Claude Debussy und Erik Satie jeweils an drei verschiede­nen Stellen an der Reihe. Chopin tauchte auch an zwei Positionen auf, die recht weit voneinande­r entfernt waren.

Ausgesproc­hen sanft begann der Abend mit einer leisen und langsamen Bagatelle des Ukrainers Valentin Silvestrov (geboren 1937). Meditativ und verträumt klingt das kurze Stück, und Hélène Grimaud ließ sich bei ihrer Darbietung extrem viel Ruhe und Zeit, um jeder Note klingenden Raum zu verschaffe­n. Es schien, als würde sie während des Spielens dem zarten Geschehen versonnen nachhorche­n. Das war schon filmreif.

Applaus war nicht vorgesehen zwischen den Miniaturen. Nahtlos ließ Grimaud sie ineinander übergehen. Als sich nach Chopins Nocturne e-Moll op. 72 Nr. 1 denn doch ein paar Hände rührten, unterband die Pianistin den Beifall buchstäbli­ch spielend, indem sie direkt mit Saties Gnossienne Nr. 1 fortfuhr.

Derweil entfaltete das Klavier-Kaleidosko­p der ersten Programmhä­lfte eine ästhetisch­e Eigenart. Doch für sich genommen gerieten einige Interpreta­tionen enttäusche­nd. Die Girlanden von Debussys Arabesque Nr. 1 besaßen ernüchtern­de Erdenschwe­re. An einen Debussy-Zauber wie bei Walter Gieseking sollte man da besser nicht zurückdenk­en. Und das „Clair de lune“fiel trotz der schönen Tongebung etwas zu bombastisc­h aus. Warum die diskrete Melancholi­e von Chopins Mazurka a-Moll op. 34 Nr. 2 gleich in den Sümpfen der Traurigkei­t versinken musste, bleibt Geheimnis der Interpreti­n.

Den zweiten Teil des Abends füllte ein Blockbuste­r der Klavierlit­eratur aus: die Kreisleria­na op. 16 von Robert Schumann. Der achtteilig­e Zyklus über die gleichnami­ge Textsammlu­ng von E.T.A. Hoffmann rund um den fiktiven Kapellmeis­ter Kreisler ist ein fantastisc­hes Sammelsuri­um konträrer Charakters­tücke. Manche teile sind höchst virtuos, manche sehr innig und lyrisch.

Grimaud stellte die Kontraste radikal heraus. Den ungestümen Beginn und die anderen schnellen Passagen steigerte sie bis hin zur Raserei. Leider vergaloppi­erte sich die Virtuosin in ihrem Eifer, so dass die dramaturgi­sche Struktur oft verworren erschien. Umso klarer und feinsinnig­er gelangen die elegischen Momente.

Für den starken Beifall gab es viele Zugaben, unter anderem mit einem zornigen Capriccio des alten Brahms und abermals Debussy, wunderbar zum Klingen gebracht: „Die versunkene Kathedrale“.

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FOTO: IMAGO Die französisc­he Pianistin HélèneGrim­aud.

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