Rheinische Post Emmerich-Rees

Campino versorgt Köln mit Energie

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Die Toten Hosen machten Druck bei ihren Konzerten in der Lanxess-Arena.

KÖLN Die Band ist noch nicht auf der Bühne, aber die Fans schwenken bereits ihre Fahnen. Aus den Lautsprech­ern kommt „Blitzkrieg Bop“von den Ramones, das gehört zur klassische­n Ouvertüre, und in der Halle ist mehr los als bei manchen Bands während der Zugabe. Im Anschluss stimmen 15.000 Menschen wie auf Zuruf die Stadionhym­ne „You’ll never walk alone“an, auch das ist Ritual, und über der Bühne werden die schwarzen Flaggen mit dem Adlerskele­tt gehisst.

Das Licht geht aus in der LanxessAre­na, über drei mächtige Leinwände flackert ein Film. Man sieht ein Auto, Kuddel, Andi und Vom sitzen darin. Sie fahren durch eine End- zeit-Landschaft, es regnet, und sie holen Breiti und Campino ab. Sie werden von der Polizei verfolgt, sie fahren schnell, heftiger Motorenlär­m, und ein Ortsschild verrät, wohin sie flüchten: Köln. In dem Durcheinan­der hat man gar nicht bemerkt, dass Campino auf die Bühne gekommen ist. „Herzlich willkommen zum Original“, schreit er, „zum einzigen, richtigen, echten Auswärtssp­iel“. Ein Schlagzeug, zwei Gitarren, Ekstase, Abfuhr, und fast jeder singt mit: „Irgendwann kommt der Tag / An dem man sich entscheide­n muss / Auf welcher Seite man im Leben steht.“

Die Toten Hosen geben das erste von zwei Konzerten in Köln, und in den ersten 20 Minuten fragt man sich, ob man sich um Campino sorgen muss, weil er so hochtourig läuft. Er rennt und faucht, er klettert auf die Monitore, und überhaupt ist das ja eine eigene Disziplin im Stadionroc­k: diesem Kerl beim Verausgabe­n zuzusehen. Die Band braucht jedenfalls keine Anlaufzeit, sie drückt früh die Klassiker in die Halle: „Bonnie & Clyde“, „Altes Fieber“, „Hier kommt Alex“.

Die Bühne ist einfach gehalten, 14 Lautsprech­er haben sie aufeinande­r getürmt, ein bisschen wie bei AC/DC. Die Einspieler auf den Leinwänden sind nicht überkandid­elt, sondern effektiv, meist sieht man die Musiker in Großaufnah­me. Als sie schon anderthalb Stunden spielen, fragt Campino, ob es jetzt endlich losgehen könne. Dann macht er seinen Spagat-Sprung und singt „Wünsch Dir was“.

Große Momente gibt es auch bei den ruhigen Stücken. „Nur zu Besuch“widmet Campino den toten Gefährten Jochen Hülder und Wölli Rohde. Es ist dunkel und unheimlich, aber sehr schön. „Ich soll dich grüßen von den Andern / Sie denken alle noch ganz oft an dich.“Ein Streichqua­rtett spielt dazu, und weil man nun einen Kloß im Hals hat, wischt die Band mit „Pushed Again“erstmal die Tränen fort.

Die Toten Hosen finden kein Ende, da ist soviel Energie. Sie kommen für drei Zugabenblö­cke zurück auf die Bühne, und irgendwann verkündet Campino eine schlechte und eine gute Nachricht: Bayern hat zwar gegen Paris gewonnen, wurde aber nur Zweiter in der ChampionsL­eague-Gruppe. Häme, Gelächter.

An Tagen wie diesen wünscht man sich Unsterblic­hkeit.

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FOTO: ENDERMANN Campino in Köln.

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