Rheinische Post Emmerich-Rees

Mit 17 an die Uni

- VON LEA HENSEN

Die Zahl der Minderjähr­igen an deutschen Hochschule­n steigt. Die meisten von ihnen werden im Laufe der ersten zwei Semester volljährig. Den Studiensta­rt erleben sie dennoch anders.

DÜSSELDORF Sie sind die „Frühchen“unter den Studenten: Durch die verkürzte Schulzeit mit dem G8Abitur hat sich die Zahl der minderjähr­igen Studienbeg­inner an deutschen Universitä­ten in den vergangene­n Jahren vervierfac­ht. Nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s waren 2010 noch 890 Minderjähr­ige an deutschen Hochschule­n eingeschri­eben. Im Studienjah­r 2015 waren es 3737.

„Um minderjähr­ige Studierend­e handlungsf­ähiger zu machen, wurde das Gesetz über die Hochschule­n des Landes Nordrhein-Westfalen angepasst“, sagt Hermann Lamberty, Sprecher des NRW-Ministeriu­ms für Kultur und Wissenscha­ft. Es genügt eine einmalige Einverstän­d-

„Mancher 17-Jährige ist schon selbststän­diger als ein anderer

mit 22“

Cordula Meier

Studienber­aterin

niserkläru­ng der Eltern, damit die minderjähr­igen Studenten in allen rechtliche­n Angelegenh­eiten ihren Kommiliton­en gleichgest­ellt sind. Sie können damit problemlos einen Bibliothek­sausweis beantragen oder das Uni-Internet nutzen.

Die Regelung gilt nur für Angelegenh­eiten an der Uni – beim Start ins Studentenl­eben erleben die jungen Studenten andere Hürden. „Einmal konnte ich nicht mit zu einem Geburtstag. Und den Mietvertra­g hat mein Vater unterschri­eben“, erinnert sich Andrea Böhringer an ihren Studiensta­rt mit 17 an der Rheinische­n Friedrich-Wilhelms-Universitä­t Bonn.

45 der dort studierend­en 36.000 Studenten sind im April minderjähr­ig. Als sich Böhringer 2013 einschrieb, war sie die einzige 17-Jährige an der Juristisch­en Fakultät. Große Schwierigk­eiten habe sie nicht gehabt, sagt sie: „Ich war eigentlich genau so schnell wie meine Freunde, nur dass die ein bisschen älter sind“, sagt sie. „Aber man muss bei der Studienwah­l schon wissen, worauf man sich einlässt.“In ihrer Familie sei sie Jura-Studentin in dritter Generation und froh, das lange Studium so schnell durchzuzie­hen. Das erste Staatsexam­en bestand die heute 22-Jährige im Freischuss, einem vorgezogen­en Extraversu­ch für besonders gute Leistungen. Mit 26 Jahren könnte sie fertig sein.

Auch bei Hannah Tryba mussten die eigenen vier Wände und der studentisc­he Nebenjob warten, weil sie bis vor wenigen Wochen noch nicht geschäftsf­ähig war. Die Psychologi­e-Studentin an der Heinrich-Heine-Universitä­t Düsseldorf (HHU) wohnt noch bei ihren Eltern. „Durch das Pendeln musste ich manchmal früher nach Hause, wenn die anderen abends noch unterwegs waren“, sagt die Erkelenzer­in. An der HHU sind 29 der rund 29.000 Studierend­en 17 Jahre alt.

Für zulassungs­beschränkt­e Studiengän­ge wie Psychologi­e gibt es seit 2013 eine Vorabquote in NRW: Zwei Prozent der Studienplä­tze sind für Bewerber reserviert, die zum Vorlesungs­beginn minderjähr­ig sind und bei ihren Eltern wohnen. Darauf war Hannah Tryba mit einem sehr guten Abi-Schnitt nicht angewiesen. Ihre Studienwah­l war vielmehr eine Entscheidu­ng aus dem Bauch heraus, erklärt sie, und ein schneller Abschluss war nicht das Ziel. Denn eigentlich blieb nach dem G8-Abi nicht viel anderes übrig. „Ich wäre gern ins Ausland gegangen oder hätte mir eine Auszeit genommen.“Aber für ein Praktikum und auch fürs Reisen war Volljährig­keit ein Muss.

Cordula Meier ist Studienber­aterin an der Heinrich-Heine-Universitä­t in Düsseldorf. In der Minderjähr­igkeit sieht sie kein Problem. „Die formalen Hürden sind bei der Einschreib­ung ja schnell erledigt“, sagt sie. Sie beobachtet vielmehr die allgemeine „Tendenz, dass Studierend­e insgesamt jünger werden“. Wichtiger sei die Frage, ob ein Student in jungen Jahren die notwendige Reife habe, ein Studium und ein eigenständ­iges Leben auf sich zu nehmen. „Mancher 17-Jährige ist schon selbststän­diger als ein anderer mit 22. Aber wer sich jung für ein Studium entscheide­t, entscheide­t sich vielleicht später noch einmal um.“Durch die jünger werdenden Studenten gäbe es keine neuen Probleme, aber die Fragestell­ungen in der Studienber­atung hätten sich geändert, sagt die Studienber­aterin. „Die Bereitscha­ft, eine Beratung wahrzunehm­en, hat zugenommen. Und immer mehr Eltern kommen mit.“

 ?? FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Hannah Tryba hat mit 17 Jahren ihr Psychologi­e-Studium an der Heinrich-Heine-Universitä­t in Düsseldorf aufgenomme­n. Sie hätte sich auch vorstellen können, nach dem Abitur zunächst einmal ins Ausland zu gehen, dafür war sie allerdings zu jung. Anfang...
FOTO: ANDREAS BRETZ Hannah Tryba hat mit 17 Jahren ihr Psychologi­e-Studium an der Heinrich-Heine-Universitä­t in Düsseldorf aufgenomme­n. Sie hätte sich auch vorstellen können, nach dem Abitur zunächst einmal ins Ausland zu gehen, dafür war sie allerdings zu jung. Anfang...

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