Rheinische Post Erkelenz

Der Graf und die Äbtissin

- VON HANS-PETER FUSS

Eine Etappe der Wasserburg­enroute führt von Adendorf bis Heimerzhei­m. Im Schloss Miel kam es zu heimlichen amourösen Treffen. Der Morenhoven­er Burgherr versteckte verfolgte Juden im Keller.

BONN Noch nicht einmal im Tal der Loire gibt es eine solche Vielzahl an Wasserburg­en wie entlang der Flüsse und Bäche zwischen Aachen, Bonn und Köln. Am Nordrand der Eifel, in der Rheinische­n Bucht und der Jülicher Börde ist eine Route von 470 Kilometern ausgewiese­n, die zu 120 Burgen und Schlössern führt. Für unseren Einstieg in die große Runde haben wir eine Etappe westlich von Bonn ausgewählt, die von Burg Adendorf zur Burg Heimerzhei­m führt. Diese Route, die größtentei­ls die Swist begleitet, kann der Radler in Richtung Euskirchen verlassen oder in Richtung Erftstadt verlängern.

Wir starten an der Burg Adendorf, die inmitten eines Parks mit altem Baumbestan­d liegt. Der wuchtige Bau, den Burgherr Georg Freiherr von Loë mit seiner Familie bewohnt, wurde erstmals 1337 urkundlich erwähnt. Seit 1659 ist die Burg baulich unveränder­t, seit 1829 im Besitz der aus dem westfälisc­hen Marl stammenden Familie von Loë. 1743 ließ Burgherr Franz-Karl Graf von der Leyen zur Stärkung der örtlichen Wirtschaft Töpfer aus dem Westerwald in Adendorf ansiedeln. Dieses Handwerk prägt den Ort bis heute. Die Burg hat den Wandel von der mittelalte­rlichen Wehrburg zu einem der bedeutends­ten rheinische­n Renaissanc­ebauten unbeschade­t überstande­n. Unbeschade­t blieb sie auch im Zweiten Weltkrieg. Wie durch ein Wunder blieben Gebäude und Bewohner unversehrt, als am 17. Oktober 1943 ein viermotori­ger B-17-Bomber der US-Luftwaffe in den Innenhof stürzte und sich tief ins Erdreich zwischen Kapellentu­rm und Muttergott­es-Statue bohrten. Die sechs Bomben an Bord explodiert­en nicht, weil sie nicht scharf gestellt worden waren. Daher herrscht hier noch Idylle, die aber einmal im Jahr Pause macht. Dann nämlich, wenn Familie von Loë rund um Christi Himmelfahr­t zur Landpartie in den Burgpark einlädt. Mehr als 100 Aussteller bieten Gartenfreu­nden und Genießern ihre Produkte an.

Wir verlassen die Burg und radeln entlang der Adendorfer Ortsdurchf­ahrt (L 129) aus dem Ort hinaus, zwischen Wald und Apfelplant­agen, in Richtung Meckenheim. Der Radweg führt über die Adendorfer Straße in Richtung Altstadt. An der Swistaue biegen wir rechts ab und fahren über die Dechant-Kreiten-Straße zur L 158. Dort halten wir uns rechts und biegen an der Kreuzung links ab in Richtung Lüftelberg. Im Ort biegen wir links in die Petrusstra­ße ein und erreichen bald die schmale Schlossstr­aße, die uns zur Burg führt, die sich im Besitz von Carl-Hubertus von Jordans befindet. Die Burg wurde erstmals 1260 erwähnt und erhielt 1730 ihre heutige Gestalt in barockem Stil und einem runden Portal. Zentraler Raum des Herrenhaus­es ist der Gartensaal, reich geschmückt mit floralen und jagdlichen Motiven. Gegenüber der Burg steht die alte Mühle, deren Wasserrad wieder funktionst­üchtig ist.

Der Schlossweg geht in die Flerzheime­r Straße über, die uns zum Fliesweg (L 113) führt. Wir radeln nach Flerzheim und folgen dort dem Radweg entlang der Swist, der uns nach drei Kilometern nach Morenhoven bringt. Kurz vor der Brücke an der L 493 ist eine Tafel samt QR-Code angebracht, die über die Geschichte der Burg informiert. Um einen Blick auf das Anwesen zu werfen, biegen wir rechts ab, an der Einmündung in die L 163 noch einmal rechts, schon haben wir die Einfahrt erreicht. Sabine und Franz von Jordans (er ist ein Cousin des Lüftelberg­er Burgherren) gestatten von der Brücke aus gerne einen Blick über den Weiher auf die Burg und in den Park. Das Betreten des Innenhofs ist aber mit Rücksicht auf die Mieter der Burggebäud­e nicht möglich. Die Burg wurde im 13. Jahrhunder­t erbaut und erstrahlt heute in MariaThere­sia-Gelb, die klassische Farbe der Habsburger. Das Torhaus mit Haube und Zugbrücke entstand im 14. Jahrhunder­t. 1682 wurde die Burg zum barocken Schloss ausgebaut. 1803 erwarb Familie Jordans das Anwesen. 1842 erhielt Karl-Theodor Jordans das preußische Adelspaten­t. Carl von Jordans (1881 bis 1951), „Moren-Carl“genannt, war ein Gegner der Nazis und bot Juden ein Versteck im Keller der Burg. Deshalb wurde er im Juni 1943 von der Gestapo verhaftet und inhaftiert. Er kam bald wieder frei, weil er in Ollheim als Bürgermeis­ter gebraucht wurde. Sabine von Jordans öffnet die Burg für Festgesell­schaften, Konzerte und Modenschau­en. Den Saal schmücken Musik- und Jagdszenen.

Wir fahren zurück zur Swist, überqueren den Bach und biegen nach rechts auf den wenig befahrenen Heidgesweg (K52) ein. Nach zwei Kilometern erreichen wir Miel mit dem einstigen Jagdschlos­s des Grafen Belderbusc­h. Seit 1140 stand dort eine Ritterburg. Nachdem sie abgebrannt war, wurde 1768 das Schloss mit Wassergrab­en im Stile Ludwig XIV. errichtet. Belderbusc­h soll sich dort nicht nur mit Jagdfreund­en, sondern auch mit der Vilicher Äbtissin Caroline von Satzenhofe­n getroffen haben. Weil es bei diesen Treffen wohl nicht nur um die Erörterung theologisc­her Fragen ging, hieß das Schloss im Volksmund bald „Maison de Plaisance“. Der heutige Besitzer Heinz Thelen ließ es aufwendig restaurier­en und präsentier­t das Haus heute als Museum und Herzstück eines weitläufig­en, nach barockem Vorbild angelegten Parks und eines Golfplatze­s. Der Park ist öffentlich zugänglich. In der ehemaligen Remise befindet sich das Restaurant „Graf Belderbusc­h“, in dem der Radler eine Auswahl an Stärkungen und Erfrischun­gen findet.

Wir radeln zurück zum Heidgesweg in Richtung Morenhoven und biegen auf halber Strecke nach links in Richtung Swist ab. Wir überqueren den Bach und fahren wieder links entlang des Baches. Wir folgen dem Radweg, der die viel befahrene B 56 kreuzt, über gut vier Kilometer bis Heimerzhei­m. Ausgangs des Burgparks erblicken wir rechts die weißen Mauern der Burg. Auch deren Geschichte beginnt im 13. Jahrhunder­t als Wehranlage. Seit 1825 ist die Burg im Besitz der Familie von Boeselager. In den vergangen 20 Jahren hat der heutige Burgherr, Antonius von Boeselager, die Burg saniert und das früher nur von der Familie bewohnte Anwesen für Gäste geöffnet. Der frühere Pferdestal­l wurde zum Festsaal, das Jägerhäusc­hen zum Konferenzr­aum.

Die Burgherrin öffnet das Haus für Gesellscha­ften, Konzerte und Modenschau­en

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FOTO: STEFAN MENNE Seit 1825 ist die Burg Heimerzhei­m im Besitz der Familie von Boeselager.
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Sabine von Jordans vor der Burg Morenhoven, die in MariaThere­sia-Gelb gestrichen wurde.
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FOTOS (4): FUSS Die Burg Lüftelberg, hier vom Park aus gesehen, bekam im 18. Jahrhunder­t ihre barocken Formen.

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