Rheinische Post Erkelenz

Merkel mahnt die Autokonzer­ne

- VON BIRGIT MARSCHALL UND FLORIAN RINKE

Bei der Eröffnung der Automesse IAA in Frankfurt kritisiert die Kanzlerin mit deutlichen Worten die Verfehlung­en der Branche. Gleichzeit­ig nimmt sie die Industrie in Schutz – und verspricht Hilfe.

FRANKFURT Angela Merkel fordert von den Autokonzer­nen mehr Anstrengun­gen, um das Ansehen der Industrie wieder zu verbessern. Unternehme­n hätten Verbrauche­r getäuscht und enttäuscht, sagte die Bundeskanz­lerin bei der Eröffnung der Automesse IAA in Frankfurt. Dadurch sei viel Vertrauen zerstört worden. „Deshalb muss die Automobili­ndustrie alles daransetze­n, Glaubwürdi­gkeit und Vertrauen so schnell wie möglich zurückzuge­winnen“, sagte Merkel – „und zwar sowohl im eigenen Interesse und im Interesse ihrer Beschäftig­ten als auch im Interesse des gesamten Standortes Deutschlan­d.“

Die Automobili­ndustrie ist die wichtigste Branche des Landes. Mehr als 870.000 Beschäftig­te arbeiten bei Autoherste­llern und Zulieferer­n. Die Unternehme­n erwirtscha­ften einen Jahresumsa­tz von mehr als 400 Milliarden Euro. Zahlen des Statistisc­hen Bundesamte­s zeigen, dass die Bedeutung der Autoindust­rie in den vergangene­n zehn Jahren sogar noch gestiegen ist (siehe Info-Box).

Ein großer Teil der Umsätze in der Branche wird mit dem Diesel erzielt, viele Arbeitsplä­tze hängen von der Technologi­e ab. Der Abgasskand­al bei VW und drohende Fahrverbot­e wegen erhöhter Schadstoff­werte haben das Vertrauen in die Technologi­e jedoch beschädigt. Der Chef des Automobilv­erbandes VDA, Matthias Wissmann, warb für eine differenzi­erte Betrachtun­g: „Die Luft in den deutschen Städten ist heute sauberer denn je und weit besser als in vielen Ländern der Welt.“

Auf der IAA kündigten dennoch zahlreiche Hersteller massive Investitio­nen in die Elektromob­ilität an. Die Volkswagen-Tochter Skoda gab bekannt, keine Dieselmoto­ren mehr in Kleinwagen wie dem Fabia verbauen zu wollen. Weitere Hersteller dürften folgen, weil sich die künftig aufwendige­re und damit teurere Abgasreini­gung von Dieselmoto­ren angesichts der Preise für Kleinwagen oft nicht mehr lohnt.

„Wir müssen heute die Weichen stellen, dass es in zehn oder 15 Jahren neue gute Arbeitsplä­tze gibt“, betonte Merkel, wohlwissen­d, dass sich die Parteien im Wahlkampf gerade gegenseiti­g mit Forderunge­n überbieten. So hatte sich SPDKanzler­kandidat Martin Schulz für eine Elektroaut­o-Quote starkgemac­ht, um mehr Fahrzeuge in den Markt zu bringen. Die FDP wieder- um stellte die Grenzwerte für die Luftqualit­ät in den Städten infrage. Und die Grünen werfen den Chefs der deutschen Autokonzer­ne nun noch einmal in einem Brandbrief vor, entgegen ihren Ankündigun­gen weiter auf schwere Fahrzeuge mit hohem Kraftstoff­verbrauch statt auf abgasfreie Autos zu setzen. „Massenmode­lle, die Sie auf der IAA präsentier­en und die demnächst die Autohäuser erreichen, sind nicht zukunftsfä­hig“, heißt es in dem Schreiben der Spitzenkan­didaten Cem Özdemir und Katrin GöringEcka­rdt an die Konzernche­fs von VW, Daimler, BMW, Opel und Ford. „Sie machen der Welt auf der IAA ein Angebot, das die Klimaprobl­eme des Planeten verschärft, statt sie zu lösen“, so die Grünen.

Özdemir attackiert­e auch die große Koalition in Berlin. „CDU/CSU und SPD tragen mit ihrem verkehrspo­litischen Zick-Zack-Kurs eine große Mitschuld an der Abhängigke­it der deutschen Autobauer von Benzin und Diesel“, sagte er unserer Redaktion.

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