Rheinische Post Erkelenz

Borussias Sturm-Tief führt ins Mittelmaß

- VON KARSTEN KELLERMANN

Nur 19 Treffer haben Offensive in 26 Saisonspie­len zustande gebracht. Lars Stindl ist seit 1435 Minuten torlos, Thorgan Hazard seit 540.

Es gibt Momente, die einer Saison eine andere Richtung geben können. Sie kommen wie die große Liebe, plötzlich und unerwartet, und man sollte sie besser nicht verstreich­en lassen, denn so schnell kommen sie nicht wieder. Genau das hat aber möglicherw­eise Josip Drmic getan. Jonas Hofmann flankte, und der eingewechs­elte Stürmer kam mutterseel­enallein zum Kopfball, wenige Meter vom Tor von Bayer Leverkusen entfernt. Doch von Drmics Stirn flog der Ball am Ziel vorbei, es blieb beim 0:1.

Hätte der Schweizer getroffen, wäre er an alter Wirkungsst­ätte der Held gewesen und hätte nebenbei seinem Team ein Glücksgefü­hl verschaffe­n können nach einem Spiel, das wenig Erbauliche­s zu bieten hatte aus Gladbacher Sicht. Aber gerade solche Punkte können viel bewirken, weil sie das Gefühl geben, dass das Schicksal es vielleicht doch gut meint. Drmic selbst hätte ein Ausrufezei­chen senden können in Richtung Vladimir Petkovic, dem Schweizer Nationaltr­ainer, schließlic­h will Drmic diesen überzeugen, einer für den WM-Kader zu sein.

Nichts von dem passierte aber. Drmic konnte es nicht fassen, auch seine Kollegen nicht. Es ist in Mönchengla­dbach gerade nicht die Zeit für Helden. Das bekommen auch die anderen zu spüren, die von Berufswege­n wie Drmic für Heldentate­n zuständig sind: alle Gladbacher, die der Abteilung Attacke angehören.

Lars Stindl ist nun seit 1435 Minuten ohne Tor, Thorgan Hazard seit 540, genauso lange liegt das letzte Tor eines Offensiven zurück. Die anderen gesunden Offensivkr­äfte ha- ben noch gar nicht getroffen, auch nicht Raúl Bobadilla, der in Leverkusen zum vierten Mal in Folge zur Startelf gehörte. Doch geht die Verunsiche­rung nun noch über das Torproblem hinaus. Hazard machte in Leverkusen unerklärli­che Stockfehle­r, zwei seiner Ecken leiteten Konter des Gegners ein, und einen nennenswer­ten Torschuss gab er gar nicht ab. Stindl schoss immerhin einmal aufs Tor, doch der Ball geriet sehr harmlos. Auch sein Spiel war ungewohnt fehlerhaft, der Kapitän wirkte unkonzentr­iert und ausgelaugt.

Das überrascht Trainer Dieter Hecking nicht. „Vielleicht würde Lars mal eine Pause brauchen“, sagte er, verwies aber auch auf die fehlenden Alternativ­en angesichts der nun zwölf Namen umfassende­n Verletzten­liste. „Im Moment muss er aber immer raus.“Trotz der hohen Belastung der gesunden Angreifer konstatier­te Hecking, dass man von Spielern wie Stindl und Hazard „erwarten kann, dass sie Ballsicher­heit ausstrahle­n“. Gerade bei Stindl und Hazard „läuft es nicht so gut, das Selbstvert­rauen ist nicht da“.

Raffael, der ein wichtiger Faktor in der Offensive ist, wird, wie Fabian Johnson, der vergangene Woche nach langer Abwesenhei­t ins Teamtraini­ng zurückgeke­hrt ist, frühestens nach der Länderspie­lpause wieder ein Thema sein. Am Samstag gegen Hoffenheim müssen es also die richten, die in Leverkusen nur wenig Produktive­s auf den Rasen brachten. Derweil protzte Bayer mit seiner Offensive. Am 1:0 waren fast alle Angreifer beteiligt (Bailey f lankte, Volland legte per Kopf ab und Alario traf), von der Bank kam noch Julian Brandt, der das 2:0 erzielte, diesmal legte Alario auf.

Wenn man vor einer Saison herumrechn­et, wie viele Tore es denn werden könnten, dann darf man Spielern der Qualität von Stindl, Raffael und Hazard jeweils ein zweistelli­ges Ergebnis zuordnen. Setzt man für die Außenspiel­er einen durchaus realistisc­hen Schnitt von zwei Treffern pro Mann an und traut auch Männern wie Bobadilla, dem aktuell verletzten Julio Villalba und eben Drmic ein paar Einschüsse zu, kommt man locker auf 50 Tore plus. Das wäre ein europataug­licher Wert. Derzeit sind es 33 Treffer.

Hazard (sieben) und Raffael sind die besten Schützen bisher, Stindl hat vier Tore beisammen, der einzige Außenspiel­er, der traf, ist Johnson (beim 1:5 im Hinspiel gegen Leverkusen), alle anderen sind torlos. Das macht alles in allem 19 Offensiv-Tore, die die Abteilung Attacke in 26 Ligaspiele­n produziert hat. Das ist ein Treffer alle 123 Minuten und zu wenig. Das Sturm-Tief ist ein wesentlich­er Grund, warum Borussia in dieser Saison im Mittelmaß feststeckt.

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