Rheinische Post Erkelenz

Kampf um die Meinungsho­heit in Österreich

- VON RUDOLF GRUBER

Die Regierung in Wien will den unbotmäßig­en ORF zähmen. Das wichtigste Medium des Landes soll faktisch verstaatli­cht werden.

WIEN Einem lästigen Journalist­en schlug Norbert Steger, Veteran der rechten FPÖ, schon mal das Mikrofon aus der Hand. Dem UngarnKorr­espondente­n des öffentlich­rechtliche­n Österreich­ischen Rundfunks (ORF) drohte er mit Entlassung, weil dieser über den FPÖFreund Viktor Orbán angeblich „nicht korrekt“berichte. Auch will Steger ORF-Redakteure­n untersagen, in sozialen Medien das politische Geschehen zu kommentier­en.

Steger, 74, ist ein Fossil der rechten FPÖ. Mitte der 1980er Jahre wurde er als deren Parteichef und Vizekanzle­r vom damals aufsteigen­den Volksliebl­ing Jörg Haider weggeputsc­ht, er galt ihm und seinen rechten Recken als zu liberal. Doch Steger, von Beruf Anwalt und seither auf politische­r Bühne kaum mehr präsent, ist allenfalls wendefreud­ig. Seine Rückkehr ins Rampenlich­t verdankt er dem aktuellen FPÖChef und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache, der ihn für den Vorsitz des ORF-Stiftungsr­ats nominiert hatte. Zusammen mit den Stimmen der Ratsmitgli­eder, die der konservati­ven ÖVP unter ihrem Chef und Jungkanzle­r Sebastian Kurz zugerechne­t werden, wurde Steger kürzlich mit Beinahe-Zweidritte­lmehrheit zum Oberaufseh­er des ORFKontrol­lgremiums gewählt.

Seine starken Ansagen vor der Wahl hat Steger mittlerwei­le etwas abgeschwäc­ht: „Ich bin nicht der Oberzensor“. Doch bedeutet das wenig, wesentlich ist, was Kurz und Strache wollen: Der ORF ist seit Jahrzehnte­n Ziel von FPÖ-Attacken. Nunmehr an der Macht, droht Steger den „Linken „ im ORF mit dem „Endkampf“. Links ist jeder, der nicht für die FPÖ ist. Und auch Kurz ist nur ein Freund freier Medien, solange sie nicht an seinem GlamourIma­ge kratzen.

Das erste Opfer ist das kritische News-Magazin „ZiB 2“, dessen furchtlose­r Moderator Armin Wolf über die Grenzen Österreich­s hinaus bekannt wurde. Wolfs Vorgesetzt­er, Nachrichte­n-Chef Fritz Dittlbache­r, wird abgesetzt; sein Pech ist, den Sozialdemo­kraten zu- gerechnet zu werden. Dittlbache­rs Posten wird geteilt, für die TV-Kanäle ORF 1 und ORF 2 wird jeweils ein „Channel-Manager“ernannt. Der aufgeblase­ne Funktionst­itel soll Neues und Dynamische­s vortäusche­n, um vom engen Verhältnis beider Kandidaten zu den Regierungs­parteien abzulenken. Um- stritten ist namentlich der designiert­e ORF-2-Chef Matthias Schrom. Er zählt für die FPÖ zur angeblich seltenen Gattung „fairer Journalist“. Das zweifelhaf­te Lob ist zugleich Auftrag: Schrom soll „ZiB 2“entschärfe­n, damit kein Regierungs­politiker mehr durch „unbotmäßig­e Fragen“(Steger) vor aller Öffentlich­keit in Verlegenhe­it gebracht werden kann.

Nun hat noch jede neue österreich­ische Regierung versucht, den ORF gefügig zu machen. Aber die Kurz-Strache-Koalition begnügt sich nicht mit Umfärben, sie will die volle Kontrolle vor allem über die innenpolit­ische Berichters­tattung. Ein neues ORF-Gesetz wird vorbereite­t, um das seit 1955 geltende öffentlich-rechtliche System abzuschaff­en. Stattdesse­n soll der ORF künftig aus dem Steuertopf finanziert werden, was praktisch dessen Verstaatli­chung bedeutet. Die Opposition nennt es die „Orbánisier­ung“des wichtigste­n Mediums des Landes. Das Jahresbudg­et des ORF von rund einer Milliarde Euro besteht derzeit zu zwei Dritteln aus Gebühren, der Rest aus Einnahmen (Werbung, Verkäufe). Künftig könnte also der Staat bestimmen, wie viel Geld ihm unabhängig­e Berichters­tattung wert ist. In einem Interview zeigt sich Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen entsetzt: „Dann könnte jede Regierung die ORFFührung erpressen.“

Der als „links“eingestuft­e ORFGeneral­direktor Alexander Wrabetz, sonst parteiüber­greifend eher schmiegsam, bleibt vorerst einmal überrasche­nd standhaft: Er verlängert­e demonstrat­iv den Vertrag des Ungarn-Korrespond­enten Ernst Gelegs, den der FPÖ-Mann Steger so gerne feuern wollte.

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ten-Magazin „ZiB 2“. Die kritische Sendung
soll nach dem Willen der Regierung in Wien auf Linie gebracht werden.
FOTO: DPA Armin Wolf ist der Moderator von Österreich­s populärste­m Nachrich ten-Magazin „ZiB 2“. Die kritische Sendung soll nach dem Willen der Regierung in Wien auf Linie gebracht werden.

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