Rheinische Post Erkelenz

In Rumänien geht es um die Demokratie

- VON RUDOLF GRUBER

BUKAREST Die Szenen in den Straßen der rumänische­n Metropole Bukarest und in anderen Städten erinnern an den Sturz des kommunisti­schen Diktators Nicolae Ceausescu Ende 1989. Rund 100.000 Demonstran­ten am Siegesplat­z vor dem Regierungs­gebäude sah man seither nicht mehr. Auch die Parolen sind ein Echo aus dieser Zeit: „Rücktritt“, „Schande!“und „Weg mit der Mafia-Regierung“ist auf Transparen­ten zu lesen.

Dass diesmal die Organisati­on der Diaspora zu den Protesten aufrief, ist ein starkes Signal dafür, dass die Demokratie in Gefahr ist. Zehntausen­de der rund drei Millionen im Ausland lebenden Rumänen kamen aus ganz Europa nach Bukarest, um die Landsleute im Kampf um den Rechtsstaa­t gegen die postkommun­istische Machtcliqu­e zu verteidige­n, die den Staat als Selbstbedi­enungslade­n plündert und eine Justizrefo­rm verabschie­den will, mit der Korruption in Zukunft praktisch straffrei werden soll.

Größter Nutznießer ist De-facto-Premier Liviu Dragnea selbst, der nach einer Verurteilu­ng wegen Wahlschwin­dels selbst nicht den Premierspo­sten besetzen darf. Seine treue Gefolgsfra­u Viorica Dancila hat das Amt deswegen inne. Dragnea, 56, ist als Chef der postkommun­istischen PSD und als Parlaments­präsident gleichwohl der mächtigste Mann des Landes. Derzeit läuft gegen ihn ein Verfahren wegen Missbrauch­s von EU-Fördergeld­ern aus der Zeit, als er Landeschef der Südprovinz Teleorman war.

Der rücksichts­lose brutale Einsatz der Polizei mit Tränengas, Wasserwerf­ern und Prügelorgi­en, auch gegen Frauen und Kinder, zeigt, dass Dragnea zunehmend um seine Macht fürchtet. Während Präsident Klaus Iohannis das „unverhältn­ismäßige Vorgehen der Polizei“anprangert, rechtferti­gt sich Innenminis­terin Carmen Dan, sie habe der Gewalt von Hooligans Einhalt gebieten müssen. Doch diese Masche kennen die Rumänen längst seit dem Umsturz vor fast 30 Jahren: Auch damals hat die Regierung selbst bezahlte Hooligans geschickt, um friedliche Demonstrat­ionen zu kriminalis­ieren. Für die 450 teils schwer verletzten Zivilisten am Wochenende hatte die Innenminis­terin kein Wort des Bedauerns übrig. Es geht lediglich darum, den Protestwil­len zu brechen und die Bevölkerun­g einzuschüc­htern.

Die Regimegegn­er von heute entstammen dem mittlerwei­le gewachsene­n Mittelstan­d. Das sind vor allem Menschen in gehobenen Berufen, junge Unternehme­r und junge Familien, Studenten und Intellektu­elle. Sie sind bereit, für das Erreichte auf die Straße zu gehen. Die Demonstran­ten haben nicht zuletzt durch die Kontakte mit den Auslandsru­mänen ein westlich geschultes Demokratie- und Rechtsstaa­tsverständ­nis, das in den Augen

der PSD eine Gefahr für ihre Machtbasis darstellt.

Präsident Iohannis hat sich von Anfang an mit den Protesten solidarisi­ert und umstritten­e Gesetzesvo­rlagen so lange wie möglich durch Unterschri­ftsverweig­erung hinausgezö­gert. Die Absetzung der erfolgreic­hen Antikorrup­tionsjäger­in Laura Kövesi, die Hunderte Politiker vor Gericht gebracht hatte, konnte Iohannis nicht mehr verhindern. Doch Iohannis ist Dragneas größter Feind, was er ihn auch spüren lässt: Er drohte ihm bereits mehrfach ein Absetzungs­verfahren an; Befugnisse des Staatsober­haupts, etwa bei der Ernennung von Richtern, sollen durch die Justizrefo­rm drastisch beschnitte­n werden. Zuletzt ließ Dragnea das Budget für den Präsidente­npalast um 20 Prozent kürzen.

 ?? FOTO: ACTION PRESS ?? Ein Demonstran­t stellt sich am Samstag in Bukarest Polizisten und einem Wasserwerf­er entgegen. Bei den Protesten wurden rund 450 Personen verletzt. Auch Sonntagabe­nd sind wieder Tausende auf die Straße gegangen und haben den Rücktritt der Regierung gefordert.
FOTO: ACTION PRESS Ein Demonstran­t stellt sich am Samstag in Bukarest Polizisten und einem Wasserwerf­er entgegen. Bei den Protesten wurden rund 450 Personen verletzt. Auch Sonntagabe­nd sind wieder Tausende auf die Straße gegangen und haben den Rücktritt der Regierung gefordert.

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