Rheinische Post Hilden

Abschiebeh­aftplätze fehlen – Straftäter frei

- VON BERND BUSSANG UND MARKUS WERNING

Die Polizei musste offenbar einen verurteilt­en Asylbewerb­er freilassen, weil NRW keinen freien Abschiebeh­aftplatz für ihn hatte. Es ist unklar, wo er sich aufhält. Solche Fälle könnte es bald häufiger geben, warnt die Polizei-Gewerkscha­ft.

LEVERKUSEN Der Fall eines Albaners, der Anfang April in Leverkusen festgenomm­en und trotz eines Abschiebeh­aftbeschlu­sses auf freien Fuß gesetzt wurde, zeigt schlaglich­tartig das Problem fehlender Abschiebeh­aftplätze. Bei dem Mann soll es sich um einem verurteilt­en Sexualstra­ftäter handeln, der Deutschlan­d bereits einmal verlassen hatte, nachdem er fünf Jahre in Haft gesessen hatte. Das berichtet die „Thüringisc­he Landeszeit­ung“.

Sie beruft sich auf eine interne E-Mail zwischen den zuständige­n Stellen in Thüringen. Das Land hatte den Mann abschieben sollen. Er war aber vorher untergetau­cht und dann in Leverkusen in einer Asylunterk­unft festgenomm­en worden. Die E-Mail liegt auch unserer Redaktion vor. Mehrere Behörden bestätigte­n den Fall.

Das NRW-Innenminis­terium untersucht auf Nachfrage unserer Redaktion hin jetzt den Vorgang. „Es darf nicht sein, dass ein abgelehnte­r und ausreisepf­lichtiger Asylbewerb­er in Deutschlan­d aus Platzmange­l nicht in Abschiebeh­aft genommen wird“, sagt ein Ministeriu­mssprecher. Fehlende Kapazitäte­n in NRW begründet er auch damit, dass etwa jeder fünfte Fall ein Ersuchen in Amtshilfe für andere Länder oder die Bundespoli­zei sei. „Das zeigt, wie wichtig es ist, dass endlich alle Länder Abschiebeh­aftplätze schaffen. Bislang gibt es entspreche­nde Plätze nur in fünf Bundesländ­ern.“

In der vorliegend­en E-Mail schildert eine Sachbearbe­iterin der Ausländerb­ehörde des Landkreise­s Gotha den Fall des Albaners und fragt das übergeordn­ete Landesverw­altungsamt, wie sie künftig verfahren solle. Der Mann sei in Leverkusen festgenomm­en worden. Aber die dortige Ausländerb­ehörde habe Gotha mitgeteilt, „dass die umliegende­n Abschiebeh­afteinrich­tungen restlos überbelegt sind“. Nur im 300 Kilometer entfernten Pforzheim gebe es noch einen freien Platz, schreibt die Sachbearbe­iterin. Doch könne der Transport dorthin nicht sichergest­ellt werden – weder von der Ausländerb­ehörde in Leverkusen, noch vom Landkreis Gotha. Deswegen müsse der Mann aus dem Polizeigew­ahrsam freigelass­en werden, „obwohl er ein abgelehnte­r Asylbewerb­er ist, der sich bereits einer Abschiebun­g entzogen und zudem noch Mehrfachst­raftäter ist“.

Eine Sprecherin der Stadt Leverkusen bestätigt den Fall. Die Ausländerb­ehörde habe sich vergeblich bemüht, einen Haftplatz zu erhalten. Die Unterbring­ungseinric­htung in Büren sei „restlos belegt“gewesen. Auch eine Anfrage in Ingelheim (Rheinland-Pfalz) sei erfolglos geblieben. Nur Pforzheim sei bereit gewesen, den Mann aufzunehme­n. Aber der Transport dorthin konnte nicht sichergest­ellt werden, bestätigte auch das Thüringer Landesverw­altungsamt. Wo sich der Mann nun aufhält, konnte trotz mehrfacher Nachfragen keine Behörde mitteilen. Außerdem widersprec­hen sich die Angaben zu seiner Person. Die Ausländerb­ehörde in Gotha nannte ihn einen „albani- schen Staatsange­hörigen“. Das Thüringer Landesverw­altungsamt erklärte dagegen, es handle sich um einen 23-jährigen Mann mit mazedonisc­her Staatsange­hörigkeit.

„Das Land muss seine Kapazitäte­n für die Abschiebeh­aft ausbauen, wenn es nicht ständig solche Fälle erleben will“, forderte Arnold Plickert, Landesvors­itzender der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP). „Wenn NRW weiter zu wenige Abschiebeh­aftplätze hat, darf sich niemand wundern, wenn die Polizei jemanden laufen lassen muss und dieser einige Monate später einen Terroransc­hlag verübt.“

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FOTO: DPA Die Unterbring­ungseinric­htung für Ausreisepf­lichtige (Ufa) in Büren (Kreis Paderborn) ist die einzige des Landes NRW.

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