Rheinische Post Hilden

Die Rolle des „Vorzeige-Türken“stört ihn gar nicht

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Serkan Kaya spielt im Central des Schauspiel­hauses eine zentrale Rolle in Sönke Wortmanns Inszenieru­ng des Stücks „Willkommen“.

Der Besuch des Fremden löst in der Wohngemein­schaft Diskussion­en aus. Soll man dem türkischen Freund der schwangere­n Studentin das freie Zimmer überlassen? Oder syrische Flüchtling­e aufnehmen?

Der schwarzloc­kige Achmed macht alle sprachlos. Er ist sympathisc­h und verblüffen­d direkt. Serkan Kaya hat bei seinem 20-Minuten-Auftritt in „Willkommen“keine Mühe, die Zuschauer im Central für sich einzunehme­n. Regisseur Sönke Wortmann holte den Berliner Schauspiel­er nach Düsseldorf, weil es im Ensemble keinen „echten Türken“gab, er die Rolle aber authentisc­h besetzen wollte.

Kaya wuchs in einer türkischen Einwandere­r-Familie in Leverkusen auf, schloss an der Folkwang-Hochschule in Essen die Fächer Schauspiel und Musical mit Diplom ab. „Ich habe mich so geehrt gefühlt, als Wortmann mich fragte“, erzählt er. Nun wusste der Regisseur natürlich sehr genau, was er tat. Der Schauspiel­er hatte ihn in Bonn als „Woyzeck“und in Berlin als Udo Lindenberg in dem Musical „Hinterm Horizont“überzeugt.

In der Rolle des legendären Musikers brachte er es auf über 1000 Vorstellun­gen in fünfeinhal­b Jahren. „Ich bin leicht verliebt in Lindenberg“, sagt Kaya. „Er kommt mir vor wie ein älterer Bruder, der mich ständig begleitet.“Vorher habe er nur wenige Lieder gekannt. „Doch als ich die Texte lernte, merkte ich, wie vertraut sie mir waren.“Im August 2016 fiel der letzte Vorhang, das „Theater am Potsdamer musste schließen.

Aber dadurch war er frei für Düsseldorf. Auch wenn sein Achmed keine Hauptrolle ist, dankbar ist sie

Platz“ allemal. Um sein mutiges Auftreten beneide er ihn. „Ich wünschte, ich könnte das auch. Durch seine brutal ehrliche Art demontiert er die anderen Figuren“, erklärt der 39-Jährige. „Damit sammelt er viel Sympathie.“Nüchtern betrachtet habe jedoch auch Achmeds weiße Weste Flecken, weil er sein Anrecht auf das Zimmer egoistisch verteidigt und sich über die Flüchtling­e erhebt.

Serkan Kaya kommt auf den offen gezeigten Unmut der Deutsch-Türken zu sprechen. Er kann nicht nachvollzi­ehen, warum Präsident Erdogan ausgerechn­et von ihnen die meiste Zustimmung bekommt. Dennoch ringt er sich Verständni­s ab: „Wer dauernd nur leere Versprechu­ngen macht, dem zeigt man irgendwann die kalte Schulter. Wenn das Gefühl vorherrsch­t, die Türkei passe nicht in die EU, sollte man die Hinhaltete­chnik lassen und es offen zugeben. Diese Ehrlichkei­t fordert Achmed im Stück auch.“

Schon als Kind wollte er Schauspiel­er werden. „Ich war überzeugt, es zu schaffen. Einen Plan B gab es nicht, wohl aber die Zuversicht, das Leben notfalls auch ohne die Bühne zu meistern.“Beim anfänglich­en „Brötchen verdienen“halfen ihm Musicals. Seine erste Rolle nach der Schauspiel­schule hatte er bei „Miami Nights“im Capitol in Düsseldorf, gefolgt von „Jesus Christ Superstar“, „Spamalot“, „Evita“und „West Side Story“. Parallel ging es am Sprechthea­ter flott voran.

In seinem dritten Studienjah­r in Essen traf ihn der Blitz. „Eine junge Frau kam zum Vorspreche­n. Sie stand da in ihrem Julia-Kleid, und ich hatte nur einen Gedanken: Wenn sie aufgenomme­n wird, muss ich mich dieser Frau hingeben.“

So kam es auch. Mi-Sah Rehnoldt ist Düsseldorf­erin mit koreanisch­er Mutter. Das Paar hat zwei Söhne, lebt in Berlin und will am liebsten wieder zurück ins Rheinland. „Ich bin eine rheinische Frohnatur“, sagt Serkan Kaya. Stört es ihn dann nicht, den „Vorzeige-Türken“zu geben? Nein, er stecke in keiner Schublade, entgegnet Kaya. „Erst recht nicht in diesem Stück. Es spielt mit dem Klischee, das gebrochen wird. Das ist spannend.“ Info „ Willkommen“wird am 28. April um 18 und 21 Uhr auf der Kleinen Bühne im Central gezeigt. Wegen der Nachfrage wechselt es dann auf die Große Bühne. Internet: www.dhaus.de

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FOTO: MATTHIAS HORN Serkan Kaya mit Yohanna Schwertfeg­er in „Willkommen“.

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