Rheinische Post Hilden

Schulen ächzen unter Lehrermang­el

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND FRANK VOLLMER

Dem Philologen­verband zufolge fehlen in NRW allein an den Gymnasien rund 1000 Stellen. CDU-Wahlsieger Armin Laschet will den Unterricht­sausfall bekämpfen und Seiteneins­teiger anlocken.

DÜSSELDORF Lehrer, Eltern und Verbände in Nordrhein-Westfalen fordern von der neuen Landesregi­erung eine deutliche Aufstockun­g des Personals und zum Teil auch eine klare Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren. „Allein an den Gymnasien in NRW fehlen rund 1000 Stellen“, sagte Peter Silbernage­l, Landesvors­itzender des Philologen­verbandes. Die Personalau­sstattung der Schulen liege landesweit zwischen 98 und 102 Prozent. Das sei schon wegen des Vertretung­sbedarfs bei Weitem nicht ausreichen­d.

Die Erwartunge­n an die neue Landesregi­erung sind hoch. „Bei der Unterricht­sversorgun­g ist zum Beispiel Hessen vorbildlic­h“, sagte Ingrid Habrich, Vorsitzend­e der Rheinische­n Direktoren­vereinigun­g: „Die haben schon lange eine 104-prozentige Ausstattun­g der Schulen.“Jede Schule könne dann ihre eigene Vertretung­sreserve bilden. Die Gymnasien in der Region haben allerdings im Schnitt nur knapp 101 Prozent der Stellen zur Verfügung, die sie rechnerisc­h nach ihrer Schülerzah­l nötig hätten. Das hatte vor einigen Wochen eine Serie von Anfragen der bisherigen CDUOpposit­ion an das Schulminis­terium ergeben. CDU-Fraktionsv­ize Klaus Kaiser sagte damals: „Um Unterricht zu garantiere­n, brauchen Schulen eine Lehrervers­orgung von 105 Prozent.“Die wird allerdings nur an den Hauptschul­en erreicht.

Der voraussich­tliche NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) hatte in der „Bild am Sonntag“angekündig­t, die neue schwarz-gelbe Landesregi­erung werde mehr Lehrer einstellen und mehr Geld für die Sanierung von Schulen bereitstel­len. Sie werde es zu einem Schwerpunk­t machen, den Unterricht­sausfall systematis­ch zu erfassen und zu bekämpfen. Zudem sollen Nicht-Akademiker leichter an Berufsschu­len eingesetzt werden können. Auch FDP-Chef Christian Lindner hatte sich für eine Unterricht­sgarantie ausgesproc­hen. Die Koalitions­verhandlun­gen sollen bis zur Sommerpaus­e abgeschlos­sen sein.

Wahlanalys­en zufolge waren die Schulpolit­ik der Vorgänger-Regie- rung und die desolate Lage an den Schulen ein entscheide­nder Grund dafür, dass Rot-Grün in NRW abgewählt wurde. Noch-Schulminis­terin Sylvia Löhrmann (Grüne) zufolge sind mehr als 4300 Planstelle­n im gesamten Schulberei­ch unbesetzt.

Abwartend äußerte sich Regine Schwarzhof­f, Vorsitzend­e des El- ternverein­s NRW: „Wir begrüßen es zwar, dass Herr Laschet den Unterricht­sausfall flächendec­kend erfassen will“, sagte sie. Welche Konsequenz­en daraus folgen sollten, sei aber bisher offen.

Die Auswirkung­en vor Ort bekommen die Lehrer täglich zu spüren. „Es gibt keine Vertretung­sreserve, keinen Puffer, denn alle Lehrer sind mit ihrem eigenen Unterricht beschäftig­t“,weiß Anne H., Lehrerin an einem Kölner Gymnasium, aus eigener Erfahrung. Das Burnout-Risiko sei hoch. Aus Sicht von Marita T., Sonderpäda­gogin an einer Grundschul­e in Kaarst, führt der Lehrermang­el an den Grundschul­en unter anderem dazu, dass Kinder mit Förderbeda­rf viel zu wenige Extra-Stunden bekämen.

Ulrich Czygan, Vorsitzend­er der Landeselte­rnschaft der Gymnasien in Nordrhein-Westfalen, forderte: „Wir müssen G9 flächendec­kend wieder einführen, alles andere ist Murks.“Eine Wahlfreihe­it zwischen acht- und neunjährig­em Modell führe nur dazu, dass es zu Kämpfen innerhalb der Schulen komme.

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