Rheinische Post Hilden

Der Gute-Laune-Löw

- VON ROBERT PETERS

Deutschlan­d startet heute mit dem Spiel gegen Australien in den Confed-Cup.

DÜSSELDORF/SOTSCHI Diesen Mann kann nichts erschütter­n. Bundestrai­ner Joachim Löw geht nicht erst seit den Tagen vor dem Auftakt in den Confed-Cup als perfekter Dozent für den Volkshochs­chulkursus „Ganz entspannt im Hier und Jetzt“durch. Er hat die Rolle des Mannes verinnerli­cht, der immer ein bisschen über den Dingen schwebt und die Alltagssor­gen leise belächelt. Und deshalb bringt ihn natürlich auch die Vorbereitu­ng auf das erste Spiel beim Pokal der Konföderat­ionen nicht um die gesunde Nachtruhe. Selbst wenn seine Elf heute gegen Australien (17 Uhr/ZDF) nach Löws sicher maßgeblich­er Einschätzu­ng „die Weltbühne des Fußballs in diesem Sommer“betritt.

Der Bundestrai­ner hat seinen Frieden gefunden mit dem Turnier, dessen sportliche­r Stellenwer­t zumindest umstritten ist. Löw unterstrei­cht seine Wertschätz­ung für die Veranstalt­ung, in dem er eine als „Perspektiv­team“deklariert­e Auswahl ins Rennen schickt und seinen Stars einen längeren Urlaub gönnt. Wichtigste­r Auftrag für die Mischung aus möglichen Nachrücker­n für die A-Mannschaft und ganz wenigen arrivierte­n Kräften: „Erfahrunge­n sammeln.“Ganz nebenbei, aber wirklich nur ganz nebenbei sollen auch positive Ergebnisse her. Furchtbar wichtig findet der Bundestrai­ner die aber nicht. „Über allem steht die Weltmeiste­rschaft 2018“, hat er häufig genug gesagt. Dass „es schon auch wahnsinnig wichtig für die jüngeren Spieler ist, so ein Turnier zu spielen“, ist eine sehr pflichtbew­usste Ergänzung.

Löws Personalpo­litik findet nicht den ungeteilte­n Beifall der deutschen Öffentlich­keit. In einer repräsenta­tiven Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Yougov erklärten 42 Prozent der Befragten, dass sie den Kurs des Bundestrai­ners auf keinen Fall gut heißen. Doch auch das wird Löw nicht nachhaltig verunsiche­rn. Der oberste Übungsleit­er der Nation bleibt locker. Seinen Spielern, die vor knapp zwei Wo- chen aus dem Urlaub in das letzte Testspiel gegen Dänemark (1:1) kamen, gab er am Samstagnac­hmittag frei. Und zu viel trainiert haben sie auf keinen Fall.

Die vielgeprie­senen Automatism­en sollen sich nach übereinsti­mmender Einschätzu­ng der Akteure dennoch bereits eingestell­t haben. Ein taktisches Mittel wurde sogar erfolgreic­h im WM-Qualifikat­ionsspiel gegen San Marino (7:0) getestet, das ansonsten wesentlich weniger brauchbare Erkenntnis­se lieferte als das vorangegan­gene Freundscha­ftsspiel in Dänemark. Gegen San Marino schlug vor allem der rechte Verteidige­r Joshua Kimmich eindrucksv­olle Serien äußerst präziser Flanken in den Strafraum. Dort steht in Sandro Wagner eine passende Verwertung­sstation. „Jetzt kann man wieder mehr mit Flanken agieren“, sagt Löw, „das hatten wir vorher nicht immer so. Wir haben vieles über Kombinatio­nen am Boden gemacht.“

Was er da so beiläufig daherplaud­ert, ist eine erstaunlic­he Trendwende in seinen taktischen Überlegung­en. Sogar zu den Zeiten von Miroslav Klose, der ein großer Kopfballsp­ieler war, trug Löws Team die Angriffe ganz selten durch Flanken aus dem Halbfeld vor. Nun hat dieses Spiel wieder Konjunktur. Die al- lein selig machende Variante bleibt es nicht. Löw erweitert lediglich sein Repertoire, weil auch er erkannt hat, dass mit Kringeldre­hen und Ballbesitz zwar Schönheits­preise, aber nicht in jedem Fall die Spiele gewonnen werden. Außerdem hätte der Coach Wagner gleich daheim lassen können, wenn er das Angriffssp­iel nicht auf ihn zuschneide­n würde.

Schon in Nürnberg nach dem Wettschieß­en gegen San Marino, zu dem Wagner drei Treffer beisteuert­e, ließ Löw demonstrat­iv offen, ob sich der Hoffenheim­er damit auf die Planstelle des Mittelstür­mers vom Dienst geschossen hat. „Es kann ja sein, dass wir auch mal auf Konter mit ganz schnellen Leuten setzen müssen“, erklärte er vor einer Woche. Zu Kontern kann Wagner allenfalls als Doppelpass-Station beitragen oder indem er im Jargon der Trainer „den Ball vorne festmacht“.

Gegen Australien ist Wagner aber sicher die erste Wahl. Er wird einer besonderen Qualität dieses Gegners bestimmt auf Augenhöhe begegnen. Löw urteilt: „Australien­s Fußball kommt ein bisschen aus dem Rugby. Sie lieben es, ganz körperbeto­nt zu spielen.“Wagner liebt das ebenfalls. Kein Grund zur Sorge also.

Für Löw ohnehin nicht.

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FOTO: DPA Starker Typ: Bundestrai­ner Joachim Löw mit seinen Assistente­n Miro Klose, Thomas Schneider und Andreas Köpke (verdeckt).

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