Rheinische Post Hilden

Singen trotz Zensur

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Das hört sich jetzt wieder nach einem formidable­n Skandal an – die Zensur eines Auftritts der Toten Hosen in China! Verboten wurde ihnen, ein Lied über eine Straßensch­lacht in Berlin zu spielen. Verse über irgendeine­n Aufruhr mag man im Reich der Mitte eben nicht. So wäre es für Sänger Campino ein Leichtes gewesen, daraus eine große Nummer zu machen und auf Kunstfreih­eit in einem Land zu pochen, in dem nicht allein die Kunst unfrei ist. Stattdesse­n haben die Toten Hosen gespielt, für ihre Fans und für ihre Freiheit, das mit ihrer Musik zu sagen, was ihnen wichtig ist. Es gebe immer einen Subtext, hat Campino dazu gesagt.

Genau darin liegt ja der unerhörte Schatz von Kunst: in ihrer Unergründl­ichkeit. Zu allen Zeiten hat das Vieldeutig­e die Herrscher nervös gemacht. Ob der zensierte Auftritt auch was bringt? Vielleicht nicht sofort und vielleicht nicht mit der Wirkung, die sich manche erhoffen. Aber singen sollte man – wenn man an die Kunst glaubt – trotzdem. Wie damals Udo Lindenberg mit seinem Sonderzug nach Pankow. Auch dieses Lied wurde übrigens vor einer Mauer gesungen. BERICHT

Newspapers in German

Newspapers from Germany