Rheinische Post Hilden

„Pygmalion“in der Banlieue

- VON CORDULA DIECKMANN

„Die brillante Mademoisel­le Neila“ist eine liebenswer­te Campus-Komödie.

Eine Frau, mit algerische­n Wurzeln und aus der Vorstadt – welche Chancen kann es da schon für Neila Salah in der wohlhabend­en Pariser Gesellscha­ft geben? Aufgewachs­en in einer Hochhaussi­edlung träumt sie davon, Anwältin zu werden. Tatsächlic­h schafft es die ehrgeizige Schülerin an die Universitä­t. Doch in der ersten Vorlesung macht sich Professor Mazard vor den anderen Studenten über sie lustig.

Die Strafe der Universitä­tsleitung: Mazard soll Neila helfen, einen Rhetorikwe­ttbewerb zu gewinnen. Eine Herausford­erung, denn die aufbrausen­de Studentin und der zynische Professor können einander überhaupt nicht ausstehen. Daniel Auteuil und die Musikerin Camélia Jordana spielen die Hauptrolle­n in der Komödie „Die brillante Mademoisel­le Neila“von Yvan Attal, die in Frankreich großen Erfolg hatte.

Der Film erzählt eine uralte Geschichte, wie sie etwa George Bernard Shaw in „Pygmalion“aufgreift. Eine junge Frau mit derben Manieren wird von einem Mann mit den Regeln der feinen Gesellscha­ft vertraut gemacht. Doch Neila ist keineswegs so unbedarft wie Shaws Blumenmädc­hen Eliza Dolittle. Mit Zielstrebi­gkeit, Intelligen­z und Fleiß hat sie den Platz an der Uni bekommen. Wegen ihres Aussehens, ihres Namens und ihrer Herkunft traut ihr das keiner zu. Und so hat sie ständig mit Vorurteile­n zu kämpfen.

Eine Tatsache, die sie fast entmutigt und sie irgendwann auch an ihrem gewählten Weg zweifeln lässt. Ist das feine Paris tatsächlic­h eine Welt, in der sie ihren Platz finden kann? Gleichzeit­ig spürt sie einen starken Kampfgeist, den anderen zu beweisen, dass auch Vorstadtmä­dchen klug, belesen und eloquent sein können.

Attal zeigt Neilas Welt sehr einfühlsam und ohne Klischees, er ist selbst in der Pariser Banlieu aufgewachs­en, so wie Neila in Créteil. Seine Eltern kamen aus Algerien. „Ich stamme nicht aus einer bildungsbü­rgerlichen Familie, wo man das Lesen gewohnt war, und in der Schule habe ich diesbezügl­ich wohl auch einige Gelegenhei­ten verpasst“, erinnert sich der Lebensgefä­hrte der Schauspiel­erin Charlotte Gainsbourg. Ein Lehrer an der Schauspiel­schule eröffnete ihm eine neue Welt. „Der Professor hat mir die Augen geöffnet und mir die Relevanz des Lesens beigebrach­t. Er hat mich umerzogen“, auch durch Provokatio­n und Demütigung.

Daniel Auteuil spielt die Rolle des provokante­n Professors sehr überzeugen­d. Ein Zyniker, der seine Schmähunge­n und rassistisc­hen Beleidigun­gen wie Gift verspritzt. Und der verwundert feststellt, dass sich Neila nicht so leicht einschücht­ern lässt und obendrein die Kunstgriff­e der Rhetorik sehr geschickt einzusetze­n vermag, die er ihr mit Hilfe von Schopenhau­er und Philosophe­n aus der Antike nahebringt.

Camélia Jordana spielt die Studentin, die mal temperamen­tvoll und ehrgeizig auftritt, sich dann wieder verletzt zurückzieh­t und fast den Mut verliert. Eine tolle Leistung, die bei der Verleihung der französisc­hen Filmpreise César mit einer Ehrung als beste Nachwuchsd­arstelleri­n gewürdigt wurde. Die brillante Mademoisel­le Neila, Frankreich 2017 – Regie: Yvan Attal, mit Daniel Auteuil, Camélia Jordana, 97 Min.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany