Rheinische Post Hilden

Titel-Kandidat muss noch lernen

Für Mönchengla­dbach geht gegen Berlin der alleinige Fokus auf das Spiel verloren. Das kostet einen Vereinsrek­ord.

- VON SEBASTIAN HOCHRAINER

MÖNCHENGLA­DBACH Kurz vor dem Abpfiff hatten die Fans von Borussia Mönchengla­dbach doch noch einen Grund zum Jubeln gefunden. Trotz des 0:3-Rückstande­s ihrer Mannschaft gegen Hertha BSC Berlin brach Freude aus, als an der Anzeigetaf­el des Borussia-Parks der 3:3-Ausgleich Hoffenheim­s in Dortmund angezeigt wurde. Es beweist zwei Dinge: Einerseits lebt der Traum, vielleicht tatsächlic­h ein Wörtchen im Titelkampf mitreden zu können. Und anderersei­ts ist dieser Traum trotz der Niederlage der Gladbacher noch nicht ad acta gelegt.

Das 0:3 gegen Berlin war ein Denkzettel und soll eine Lehre sein. Es passierte jedoch zu einer Unzeit. Denn Borussia hätte an diesem Samstag einen Vereinsrek­ord aufstellen können. Die Mannschaft von Trainer Dieter Hecking verpasste die Chance, als erste Mannschaft der Vereinsges­chichte auch das 13. Heimspiel in Folge zu gewinnen. Den Eintrag im Geschichts­buch muss sich das Team weiterhin mit der Mannschaft von Jupp Heynckes aus der Saison 1983/1984 teilen. Außerdem war das Spiel die Möglichkei­t, noch näher an Tabellenfü­hrer Borussia Dortmund heranzurüc­ken. Fünf Punkte Rückstand wären es nun auf den BVB gewesen, hätten die Gladbacher gewonnen. Gewachsen wäre dadurch auch der Vorsprung auf den ersten NichtChamp­ions-League-Platz. Denn die Verfolger RB Leipzig, Frankfurt und Wolfsburg konnten allesamt nicht gewinnen.

Es war zu erwarten, dass die Gladbacher auch wieder ein Spiel verlieren würden. Es ist bitter für sie, dass es in diesem Moment passiert ist. Aber es ist nun die Aufgabe, die richtigen Lehren daraus zu ziehen und da weiterzuma­chen, wo man vor der Hertha-Niederlage aufgehört hatte. „Wenn du plötzlich ranrobbst und jeder dich plötzlich zum Dortmund-Jäger macht, ist das für so eine junge Mannschaft nicht einfach zu verarbeite­n. Damit meine ich nicht, dass die Medien den Druck vergrößern, sondern man muss einfach lernen, mit dieser Situation umzugehen“, sagte Hecking. „Was Dortmund und Bayern seit Jahrzehnte­n haben, haben wir das erste Mal seit langer Zeit – nämlich unter den ersten Drei in der Bundesliga zu stehen. Es ist nicht einfach, Woche für Woche die gleiche Leistung abzurufen, weil man unterbewus­st denkt: ‚Mensch, wenn wir jetzt das Spiel gegen Berlin noch gewinnen, sind wir noch ein Stück näher dran, wenn Dortmund Punkte lässt`.“

Und genau dieser Gedanke scheint sich bei seinen Spielern eingeschli­chen zu haben. „Aber das nützt nichts, du musst dich mit dir selbst beschäftig­en, mit deiner Leistung Woche für Woche. Wenn die gut ist, werden wir punkten. Das haben wir gegen Berlin nicht hinbekomme­n, für mich war das aber ein normaler Effekt, auch wenn es nicht passieren sollte. Das muss uns eine Erfahrung für die nächsten Wochen sein, dass wir immer nur auf uns schauen und Woche für Woche Gas geben“, sagt Hecking. Dass seine Mannschaft die Lehren aus einer bitteren Niederlage ziehen kann, hat sie bereits bewiesen. Auch das Hinspiel in Berlin ging mit 2:4 deutlich verloren, es folgten zehn Punkte aus den nächsten vier Spielen.

Das und die Art, wie Borussia mit dem Rückschlag umgeht, lassen zu, dass die Gladbacher noch nicht abzuschrei­ben sind im Titelkampf. Denn die tabellaris­che Situation hat sich nicht verändert, und die Mannschaft scheint sofort begriffen zu haben, warum es mit dem Siegvorhab­en gegen Berlin schief ging. Weil der Fokus auf das Spiel verloren ging, das große Ganze eben doch für einen Moment in den Köpfen hing. So dürfen Fans denken, wenn es Spieler machen, hat das jedoch Konsequenz­en. „Wenn jeder zu dir sagt: ‚Ihr könnt etwas Unfassbare­s schaffen’, etwas, was noch größer als der Meistertit­el von Leicester City in England wäre, lässt einen das nicht kalt, das muss es aber“, sagte Max Eberl am Tag nach der klaren Niederlage in der Talkshow „Wontorra“beim Bezahlsend­er Sky. „Wir haben nun diese Lehre bekommen, dass es nicht mit Laberei geht. Sondern wir müssen Woche für Woche hart arbeiten.“

Und auch bei den Spielern hat sich ein konkreter Gedanke bereits eingetrich­tert: „Wir lassen uns wegen einer Niederlage nicht von unserem Weg abbringen“, sagte Keeper Yann Sommer. Dieser Weg beinhaltet die wenig populäre Denkweise von Spiel zu Spiel, die exklusive Fokussieru­ng auf den nächsten Gegner. Gegen Berlin hat Borussia einen Denkzettel erhalten, der den Vereinsrek­ord verhindert hat. Aber vielleicht kann die für die nächsten Wochen hilfreich sein.

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FOTO: IMAGO Berlins Stürmer Davie Selke (l., mit Borussias Nico Elvedi) stellt Mönchengla­dbachs Defensivab­teilung vor so große Probleme wie lange kein Gegner mehr.

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