MEINUNG
Die Krawalle von Hamburg hätten mit Linkssein nichts zu tun, versichert die SPD-Spitze. Das ist ein ebenso bequemes wie arrogantes Weltbild. Nicht links gegen rechts ist der Gegensatz, sondern Mitte gegen Ränder.
mit politischer Arroganz zu tun. Links zu sein schließt demnach Gewalt per se aus. Was aber ist zum Beispiel mit Lenin, was mit der RAF? Rechts waren beide doch wohl beim besten Willen nicht. Unpolitisch aber auch nicht.
Was Hamburgs Autonome und ihren Antikapitalismus angeht, sieht Ministerin Barley den Versuch, „an den Begriff ,links’ die Gewalt ranzutackern“. Viel Arbeit ist da allerdings nicht mehr nötig: „Wir verstehen uns und unseren Protest als Teil eines vielfältigen Spektrums von linken Gruppen“, erklärte das AntiG 20-Bündnis „Welcome to Hell“. Und: „Innerhalb dieses Spektrums stehen wir dafür, dass wir uns nicht auf den vielzitierten ,friedlichen’ Protest reduzieren lassen wollen.“Barley würde sagen: alles keine „wirklichen“Linken – und die Entscheidungshoheit, wer links sein darf, die beansprucht die SPD.
Sich links zu nennen, gilt in dieser Argumentation nicht. Also braucht es Kriterien. Für den italienischen Philosophen Norberto Bobbio etwa sind Linke, „die, ohne zu verkennen, dass die Menschen ebenso gleich wie ungleich sind, eher dem größere Bedeutung beimessen, was sie gleich statt ungleich macht“. Weniges dürfte auf diese Definition besser passen als der Protest gegen die luxuriöse Versammlung von zwei Dutzend Staatslenkern. Wie islamistische Attentate etwas mit dem Islam zu tun haben, wenn sie ihn auch nur missbrauchen, hat die Gewalt von Hamburg etwas mit Linkssein zu tun. Und was die oft gehörte Unterscheidung zwischen „linker“Gewalt gegen Sachen und „rechter“Gewalt gegen Menschen angeht: Ein Angriff auf das Gewaltmonopol des Rechtsstaats sind beide.
Sich als Gralshüter des Linksseins aufzuspielen, nützt nur den rechten Vereinfachern, die mit Wonne das Zerrbild eines Landes unter der Knute politischer Korrektheit zeichnen, in dem man das meiste nicht mehr ungestraft sagen dürfe. Ja, es ist Wahlkampf. Aber auch im Wahlkampf gilt: Aus der Mitte hat man den besten Blick. Der Feind der Demokratie steht nicht entweder rechts oder links, er steht rechts und links. Er steht an beiden Rändern.