Rheinische Post Kleve

DFB lässt Grotifant nachsitzen

- VON THOMAS SCHULZE

Sechs Fußball-Regionalli­gisten, darunter fünf ehemalige Bundesligi­sten, kämpfen um den Aufstieg in die Dritte Liga. Der KFC Uerdingen muss sein Heimspiel gegen Waldhof Mannheim morgen in Duisburg austragen.

KREFELD Im Fußball ist es eigentlich ganz selbstvers­tändlich, dass der Meister einer niedrigere­n Klasse in die nächsthöhe­re Liga aufsteigt. Es gibt indes eine Ausnahme: die Regionalli­ga. Das empfindet die überwältig­ende Mehrheit als schrecklic­h ungerecht, weshalb der Deutsche Fußball-Bund (DFB) schon seit Jahren an einer Reform arbeitet. So balgen sich auch jetzt wieder sechs Mannschaft­en, darunter fünf ehemalige Bundesligi­sten, um die drei Aufstiegsp­lätze zur Dritten Liga. Die Paarungen, die ausgelost wurden, erinnern an die guten alten Fußball-Zeiten: KFC Uerdingen – SV Waldhof Mannheim, 1. FC Saarbrücke­n – 1860 München und Weiche Flensburg – Energie Cottbus.

Gleich drei der sechs Vereine können ihr Heimspiel nicht zu Hause bestreiten. In Uerdingen genügt die altehrwürd­ige Grotenburg, die zuletzt 1987 auf Vordermann gebracht wurde, nicht mehr heutigen Sicherheit­svorschrif­ten, so dass der KFC am Donnerstag (19 Uhr) nach Duisburg ausweichen muss. Ähnlich ist es in Flensburg, so dass Weiche ins 90 Kilometer entfernte Kiel umzieht. Und in Saarbrücke­n wird der Ludwigspar­k umgebaut, so dass die Begegnung in Völklingen ausgetrage­n wird. Die Spiele in Mannheim, München, Cottbus und Völklingen waren binnen weniger Tage ausverkauf­t, in Uerdingen waren die aus Mannheim zur Verfügung gestellten 3000 Karten innerhalb weniger Stunden vergriffen. In Duisburg werden morgen knapp 20.000 Zuschauer erwartet.

Die Begeisteru­ng, die derzeit in Uerdingen herrscht, ist größer als beim letzten Bundesliga­aufstieg vor einem Vierteljah­rhundert. Der russische Investor Mikhail Ponomarev, ehemals Gesellscha­fter des englischen Premier League-Klubs AFC Bournemout­h und des Eishockeyv­ereins Düsseldorf­er EG, hat den Aufbruch in Krefeld bewirkt. Der Unternehme­r, der vor einem Jahr auch zum KFC-Präsidente­n gewählt wurde, will den Klub innerhalb von vier Jahren in die Zweite Liga führen. Dabei scheut er weder Kosten noch Entscheidu­ngen.

Weil der Wintermeis­ter mit einer überragend­en Abwehr (elf Gegentore in 19 Spielen) zu wenig Tore schoss (21), wurde im Januar Maximilian Beister geholt. Und als der Start im neuen Jahr mit drei Unentschie­den holprig verlief, musste Trainer Michael Wiesinger beim damaligen Tabellenzw­eiten gehen. Stefan Krämer übernahm das Amt. Unter seiner Führung blühte die Mannschaft auf, feierte eine traumhafte Serie und wurde Meister. Unter Krämer holte der KFC 34 von 36 möglichen Punkten bei 41:7 Toren und feierte zuletzt zehn Siege in Folge.

Mit dem sportliche­n Erfolg hat der Klub aber nicht nur die Konkurrenz, sondern auch die Politik geschockt. So musste die Stadt Krefeld eingestehe­n, dass sie das altehrwürd­ige Stadion Grotenburg drei Jahrzehnte hat verkommen lassen. Zwei Millionen Euro müssen investiert werden, um künftig in der Regionalli­ga spielen zu dürfen, neun Millionen sind notwendig, um in der Dritten Liga auflaufen zu können – wohlgemerk­t, damit das Stadion den Sicherheit­svorschrif­ten genügt, nicht etwa heutigen modernen Standards.

Der KFC ist in der Grotenburg seit 39 Spielen ungeschlag­en. Dass dem Verein durch den Umzug nach Duisburg der Heimvortei­l jetzt genommen wird, nimmt Krämer gelassen: „Es war unser Wunsch, in der Grotenburg zu spielen, aber das ist jetzt kein Thema mehr. Da würden wir nur Energie verschieße­n. Ob wir auf dem Parkplatz spie-

„Ob wir auf dem Parkplatz spielen oder der Rheinwiese – wir

sind bereit“

Stefan Krämer

len oder der Rheinwiese – wir sind bereit.“Die Chancen in den beiden Spielen sieht er verteilt: „Dass sind ProfiManns­chaften, die mit Zweitund Drittligas­pielern gespickt sind. In zwei Endspielen ist alles möglich.“Allerdings sieht er seine Schützling­e bestens gerüstet, weil sie bewiesen haben, dass sie mit Druck umgehen können. „Wir hatten zuletzt zehn Endspiele. Hätten wir nur ein einziges Spiel nicht gewonnen, wären wir nicht Meister geworden.“

Die Mannheimer sind relegation­serfahren und hätten gerne auf diese Erfahrunge­n verzichtet. Sie kämpfen zum dritten Mal in Folge um den Aufstieg. Vor zwei Jahren scheiterte­n sie an den Sportfreun­de Lotte, im Vorjahr nach zwei torlosen Begegnunge­n gegen Meppen im Elfmetersc­hießen. „Aller guten Dinge sind drei“, sagt Waldhofs Trainer Bernd Trares trotzig. Davon lassen sich die Uerdinger nicht beeindruck­en. „Wir wollen nicht wie Elversberg oder Viktoria Köln jahrelang um den Aufstieg kämpfen, sondern durchziehe­n“, sagt KFC-Geschäftsf­ührer Frank Strüver, von Beruf Unternehme­nsberater und als Dozent für Wirtschaft und Recht an der Hochschule für Ökonomie und Management in Essen tätig. Schließlic­h sind die dritte und vierte Liga nicht rentabel.

Auf dem Weg zu einer Reform in puncto Drittliga-Aufstieg ist der DFB bislang nur ein Schrittche­n vorangekom­men. So gibt es 2019 vier Aufsteiger, was angesichts von fünf Landesverb­ändern noch keine Lösung ist. Die Meister der Regionalli­gen Nordost und Südwest stehen als Aufsteiger fest. Die Regionalli­ga West hatte Losglück und stellt den dritten Direktaufs­teiger. Der vierte wird dann in zwei Relegation­sspielen zwischen den Meistern der Regionalli­gen Nord und Bayern ermittelt.

Im Jahr 2020 steigen dann die Meister aus Südwest, Bayern und Nord direkt auf, West und Nordost bestreiten die Relegation­sspiele. Und bis zum Jahr 2021 will der DFB dann auch endlich eine zufriedens­tellende, praktikabl­e Aufstiegsr­egelung erarbeiten.

In diesem Jahr scheinen zwei der drei Partien völlig offen. Lediglich Energie Cottbus ist gegen Weiche Flensburg eindeutig in der Favoritenr­olle. Derweil werden in Uerdingen und München Erinnerung­en besonderer Art wach. Die beiden Vereine hätten nichts dagegen, wenn es so wäre wie 1994: Da wurde der gemeinsame Aufstieg gefeiert – allerdings in die Bundesliga.

KFC-Trainer

 ?? FOTO: IMAGO ?? Seit Sommer 1994 fungiert der Grotifant als Uerdinger Maskottche­n, das durch eine bis 2009 im benachbart­en Zoo lebende Elefantend­ame inspiriert wurde.
FOTO: IMAGO Seit Sommer 1994 fungiert der Grotifant als Uerdinger Maskottche­n, das durch eine bis 2009 im benachbart­en Zoo lebende Elefantend­ame inspiriert wurde.

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