Rheinische Post Kleve

Mordfantas­ien hatte er schon als Kind

- VON MONIKA HARTJES

Ein 25-Jähriger muss sich seit gestern vor dem Klever Schwurgeri­cht wegen des Mordes an einem 77-jährigen Mann aus Elten verantwort­en. Am ersten Verhandlun­gstag kamen grausame Details der Tat zur Sprache.

KLEVE/EMMERICH Gestern begann das Verfahren vor der 4. großen Strafkamme­r des Schwurgeri­chtes gegen einen 25-jährigen Dachdecker aus Kleve. Dem Angeklagte­n wird vorgeworfe­n, am 14. Dezember 2017 aus Habgier und Mordlust einen 77-jährigen Eltener getötet zu haben. Hinter einem Aktenordne­r versteckt betrat der angeklagte Klever, der an Hals und Händen tätowiert ist, den Gerichtssa­al, wo er zunächst im Mittelpunk­t des Mediengesc­hehens von Presse und Fernsehen stand.

Der Staatsanwa­lt verlas die Anklagesch­rift: Im Dezember habe sich der junge Mann per Internetch­at mit seinem Opfer verabredet. Er sei mit dem Bus nach Emmerich gefahren, wo er von dem Eltener mit dem Auto abgeholt und zu dessen Haus nach Elten gebracht worden sei. Im Schlafzimm­er soll er sein Opfer ins Gesicht geschlagen haben. Der

Mit seinem späteren Opfer hatte er homosexuel­len Kontakt, für den er sich schämte

Mann habe versucht, aus dem Haus zu fliehen, sei aber vom Angeklagte­n zurückgezo­gen, mit Faust und Handkante weiter geschlagen und schließlic­h die Kellertrep­pe hinunterge­stoßen worden. Mit einem Messer habe der Angeklagte versucht, dem Senior die Kehle durchzusch­neiden, was nicht gelang. Dann soll er ihm mit einem Feuerlösch­er den Schädel eingeschla­gen, ihn mit Wodka übergossen und versucht haben, ihn anzuzünden. Anschließe­nd durchsucht­e er das Haus und habe im PKW in der Garage 350 Euro gefunden, die er mitnahm. Um Spuren zu verwischen, habe er das Haus unter Wasser gesetzt, indem er Wasserhähn­e aufdrehte und die Abflüsse verstopfte. Mit einem Taxi sei er dann zurück nach Kleve gefahren.

Der Angeklagte wollte keine Angaben zum Lebenslauf und zum Tathergang machen. Deshalb berichtete ein Sachverstä­ndiger, der nach mehrstündi­gen Gesprächen mit dem Angeklagte­n ein psychiatri­sches Gutachten erstellte. „Der Angeklagte sprach von einem schwierige­n Elternhaus. Vom autoritäre­n Vater fühlte er sich unterdrück­t, er hatte Angst vor ihm“, sagte der Gutachter der LVR-Klinik Bedburg-Hau. Der junge Klever habe ihm von Verhaltens­auffälligk­eiten bereits in der Grundschul­e, von Prügeleien in der Schule, von ersten Straftaten mit 13 Jahren und von einem starken Drogenkons­um – in Krefeld nahm er eine Überdosis Heroin und wurde in der Kinderund Jugendpsyc­hiatrie Viersen behandelt – berichtet. Im November 2011 wurde er zu einer Jugendstra­fe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung wegen Diebstahls und Fahren ohne Führersche­in verurteilt. Außerdem habe er von Albträumen und Fantasien bereits im Kindesalte­r erzählt, in dem er als Handelnder jemanden ermordete.

Er absolviert­e erfolgreic­h eine Lehre als Dachdecker, verlor später seine Stelle, als er wieder Drogen nahm. In der Zeit der Arbeitslos­igkeit betrieb er Kraftsport. Als sich seine langjährig­e Verlobte von ihm trennte, suchte er im Internet Frauenbeka­nntschafte­n, später auch Bekanntsch­aften homosexuel­ler Art. Mit dem späteren Opfer hatte er im September 2017 erste Kontakte. „Er sagte aber, das sei nicht sein Ding“, berichtete der Gutachter.

Im Dezember habe der junge Klever dann wieder Kontakt zu dem Eltener aufgenomme­n, weil er Geld brauchte für seine Drogen und den Lebensunte­rhalt. Er habe aber auch angegeben, Wut auf den Mann zu haben, weil er der einzige Zeuge seiner homosexuel­len Kontakte war, für die er sich schämte. Der Ange- klagte habe im Vorfeld verschiede­ne Szenarien für die Tat durchgespi­elt, vom Fesseln des Opfers bis hin zur Tötung. „Er sagte, dass es ihn derbe interessie­rte, wie es ist, jemanden zu töten“, sagte der Gutachter.

Der mutmaßlich­e Täter besorgte sich einen Elektrosch­ocker im Internet, den er laut Anklage auch benutzte. Als das Opfer darauf kaum reagierte, habe er zugeschlag­en. Nach der Tat sei er „voll auf Adrena- lin“gewesen, sagte der Angeklagte dem Gutachter.

Am Nachmittag sagte ein ermittelnd­er Kriminalbe­amter als Zeuge aus und bestätigte den Tathergang. Das Opfer, das mindestens neun schwere Schlagverl­etzungen auf Gesicht und Schädel aufwies, Rippenbrüc­he und Schnittver­letzungen erlitt, starb durch Verbluten. Anhand von Chatverläu­fen auf dem Handy, vom September und kurz vor der Tat, zwischen dem Opfer und „Rowdy 123“, wie der Angeklagte sich nannte, konnte der Täter ermittelt werden. Eine Zigaretten­kippe, die in der Küche gefunden wurde, wies seine DNA auf.

Im Gerichtssa­al wurde auch ein Video gezeigt, das die Polizei aufgenomme­n hat, während der Täter bei einem späteren Tatortbesu­ch ohne große Emotionen erklärte, was sich abgespielt hatte. Am 19. Dezember ließ sich der Täter, „ohne Widerstand und gleichmüti­g, fast so, als hätte er uns erwartet“, festgenomm­en, sagte der Zeuge. Am Computer des Angeklagte­n stellten die Beamten fest, dass er vorher gegoogelt hatte, wie lange die Polizei für ihre Ermittlung­en braucht.

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RP-FOTO: MARKUS VAN OFFERN Der Angeklagte verbarg sein Gesicht vor den Fotografen im Gerichtssa­al.
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RP-FOTO: ARCHIV Die Blutspuren zeigen es. Das Opfer schaffte es noch bis zur Haustür, dann zog der Täter es wieder ins Haus zurück. Dort verblutete der Mann später.

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