Rheinische Post Krefeld Kempen

Zwei Hauptdarst­eller

- VON ROBERT PETERS FOTO: DPA

Beim DFB-Pokal-Finale in Berlin (20 Uhr) zwischen Dortmund und Frankfurt stehen die beiden Trainer im Fokus. Für Thomas Tuchel könnte es das letzte Spiel mit dem BVB sein, Niko Kovac hat mit seinem Team mehr erreicht als erwartet.

BERLIN Niemand muss fürchten, dass Borussia Dortmunds Spieler heute Abend unter Orientieru­ngsproblem­en leiden – zumindest außerhalb des Spielfelds nicht. Zum vierten Mal in Folge steht der BVB im DFB-Pokalfinal­e. Den Weg ins Olympiasta­dion, die Kabine, das Drumherum kennt die Dortmunder Delegation. Dafür liegt das Mannschaft­shotel diesmal nicht in der quirligen neuen Berliner Mitte, sondern im vornehmen Grunewald. Der Gegner ist mal ein anderer, nach zweimal Bayern München und einmal VfL Wolfsburg stellt sich Eintracht Frankfurt (20 Uhr) in den Weg. Und das Ergebnis soll ebenfalls nicht zur Tradition werden. „Vor einem Jahr war unser Ziel, ins Endspiel zu kommen“, sagt der Dortmunder Trainer Thomas Tuchel, „diesmal wollen wir es gewinnen.“Dass der Gegner das auch will, muss der BVB-Coach hinnehmen.

Am Tag vor dem Finale gelingt ihm das mit einem Lächeln. Tuchel (43) hat sein Sonntagsge­sicht dabei. Er spricht von einer „Gänsehaut, wenn ich die Bilder von unserem Weg ins Endspiel sehe, es ist ein überragend gutes Gefühl, hier zu sein, es ist ein großes Privileg“. Ihm gehen beinahe die sprachlich­en Bestleistu­ngen aus. Einen Titel nach dieser nicht immer einfachen Saison nennt er „sehr besonders“. Das wäre er auch bei sehr nüchterner Betrachtun­g, denn es wäre Tuchels erster Titel mit einer Männermann­schaft – in einem anderen Trainerleb­en führte er die A-Junioren des VfB Stuttgart und die von Mainz 05 zur Meistersch­aft. Eine nüchterne Betrachtun­g passt aber ebenso wenig zu Borussia Dortmund wie zu seinem Trainer im Finalmodus. Tuchel bemüht die Emotionen, er reißt die Augen weit auf, er fixiert sein Publikum, er beteuert: „Das Vertrauen ist groß zu meinen Spielern, es gibt viel Klebstoff zwischen den Spielern und mir, es ist gar nicht möglich, solche Leistungen zu bringen, wenn es nicht stimmt.“Es klingt wie eine Beschwörun­g.

Natürlich wird er nach dem offenen Zwist mit Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke gefragt, der nach allgemeine­r Erwartung zur Trennung des Klubs vom Trainer selbst nach einem Sieg in Berlin füh- ren wird. „Meine persönlich­e Situation spielt keine Rolle“, versichert Tuchel, „alle Gedanken aller Menschen im Klub gelten ausschließ­lich dem Spiel.“Auch auf eine Diskussion über den möglichen Abschied von Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang zu Paris St. Germain lässt er sich nicht ein. „Das Thema Aubameyang spielt keine Rolle“, sagt der Coach. Am Ende bleiben zwei Hauptdarst­eller. Es sind die Trainer. Tuchel darf die Rolle beanspruch­en, weil er trotz bemerkensw­erter sportliche­r Bilanz vor dem Abschied steht. Sein Kollege Niko Kovac (45), weil er aus einem Abstiegska­ndidaten des Vorjahres eine Truppe formte, die neue Hoffnungen im chronisch anspruchsv­ollen Frankfurt geweckt hat. Auch wenn der Eintracht in der Bundesliga-Rückrunde die Luft ausging und sie nur im Mittelfeld landete, hat Kovac natürlich Recht mit der Feststellu­ng, „dass die Platzierun­g in der Liga in einem Finale überhaupt nichts aussagt“.

Dennoch darf er sich dankbar als Trainer des Außenseite­rs fühlen. Deshalb wirkt er viel entspannte­r als Tuchel, unter dessen Lächeln dann und wann ein Muskel leise zuckt. Kovac fühlt sich wohl, „als Trainer und als Mensch“, wie er sagt. Er hat mit seiner Mannschaft Grenzen überschrit­ten, und sie erreicht an den guten Tagen ein Niveau, das ihr niemand zugetraut hätte. Das genießt er umso mehr, als er sich mit der Eintracht in seiner Heimat vorstellt. In Berlin wurde er geboren und wuchs im Stadtteil Wedding heran – dort, wo auch die BoatengBrü­der auf dem Bolzplatz die Fußballsch­ule des Lebens bekamen.

Die Legendensc­hreiber geben sich alle Mühe, den Berliner Arbeiterbe­zirk nach Art der US-Sportmärch­en zu verklären. Niko Kovac bestätigt nur, dass es „nicht immer leicht war für Robby und mich“. Robby ist Bruder Robert, heute sein Co-Trainer. Aber auch ganz ohne das Rührstück vom armen Einwandere­r-Kind, das von der Straße den Sprung in den Profifußba­ll schafft, werden die Kovac-Brüder den Frankfurte­r Spielern eine gute Portion ihrer Einstellun­g zum Sport vermittelt haben. Wie Niko Kovac in besten Bundesliga-Tagen spielt die Eintracht „Männerfußb­all“, schnell, hart, selbstbewu­sst, mutig.

Ihr Trainer belässt es indes nicht bei Willensbil­dung und möglicherw­eise lautstarke­n Kabinenans­prachen. Er geht im gehobenen Alter noch gern zur Schule. Im Wintertrai­ningslager 2016 schaute er dem heutigen Gegner über die Schulter. „Den BVB habe ich mir ausgesucht, weil ich mit den besten Trainern, den Trendsette­rn unter den Coaches arbeiten wollte“, erklärt Kovac im offizielle­n Programm zum Finale. Vielleicht schiebt Tuchel ein Exemplar unter Watzkes Tür durch. Die Lage ändern würde es nicht.

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Borussia Dortmunds Trainer Thomas Tuchel (l.) und sein Frankfurte­r Kollege Niko Kovac beim herzlichen Shake-Hands während des Bundesliga­duells in Frankfurt.

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