Rheinische Post Krefeld Kempen

Nationalve­rsammlung marschiert für Macron

- VON CHRISTINE LONGIN

Die Partei von Emmanuel Macron hat die absolute Mehrheit im Parlament gewonnen. Doch ihr droht in der Nationalve­rsammlung nun eine lautstarke Opposition.

PARIS Emmanuel Macron nutzte das Wochenende zur Freizeitge­staltung. Radeln mit Frau Brigitte und Tennis standen für den französisc­hen Präsidente­n auf dem Programm. Der 39-Jährige konnte sich im schicken Badeort Le Touquet entspannt seinen Hobbys widmen, denn politisch stand für ihn nichts auf dem Spiel. Seiner Partei La République en Marche (LREM) war die absolute Mehrheit in der Nationalve­rsammlung nicht mehr zu nehmen. Mindestens 352 der 577 Sitze gewannen die „Macroniste­n“laut Hochrechnu­ngen in der zweiten Runde der Parlaments­wahl. Allerdings fiel ihr Erfolg geringer aus als in den letzten Umfragen vor der Wahl erwartet.

„Die Franzosen haben uns zur ersten politische­n Kraft gemacht“, sagte LREM-Staatssekr­etär Mounir Mahjoubi im Fernsehsen­der BFMTV. Der 33-Jährige gewann seinen Wahlkreis in Paris ebenso wie die anderen Minister Macrons. Das galt sowohl für Finanzmini­ster Bruno Le Maire als auch für Wohnungsba­uminister Richard Ferrand, der in eine Begünstigu­ngsaffäre verwickelt ist. Der Sieg der erst vor 14 Monaten von Macron gegründete­n Be- wegung En Marche ging auf Kosten der traditione­llen Parteien. Die konservati­ven Republikan­er konnten nur mit maximal 128 Abgeordnet­en rechnen, nachdem sie in der alten Nationalve­rsammlung noch 199 hatten. Ihre Kandidaten behauptete­n sich aber vor allem auf dem Land besser als erwartet gegen LREM.

Die Sozialiste­n, die bisher mit 292 Mandaten die Mehrheit im Palais Bourbon stellten, kamen nur noch auf maximal 35 Abgeordnet­e. Parteichef Jean-Christophe Cambadélis zog sofort die Konsequenz­en und kündigte seinen Rücktritt an. „Die Linke muss alles ändern: nicht nur die Form, sondern auch die Grundlagen. Ihre Ideen und ihre Organisati­on“, sagte der Kandidat für einen Sitz in Paris, der schon in der ersten Runde ausgeschie­den war. An seine Stelle soll nun erst einmal eine kollektive Parteiführ­ung treten, die den Parti Socialiste (PS) erneuern soll. „Der Nebel wird sich schneller lichten als geglaubt“, machte der PSChef seinen Genossen Mut.

Fast so stark wie die Sozialiste­n wurde La France Insoumise des Linkspopul­isten Jean-Luc Mélenchon, der Hochrechnu­ngen zwischen 15 und 25 Parlamenta­rier voraussagt­en. Mélenchon kündigte an, dass seine Partei damit den begehrten Fraktionss­tatus geschafft habe. Gleichzeit­ig gab der Volkstribu­n den Ton für die kommenden fünf Jahre vor: „Wir werden keine Meter sozialen Bodens ohne Kampf überlassen“, sagte er mit Blick auf die von Macron geplante Reform des Arbeitsrec­hts.

Der rechtspopu­listische Front National (FN) verfehlte dagegen die Fraktionsg­röße. Mit mindestens sechs Abgeordnet­en schnitt die Partei von Marine Le Pen allerdings besser ab als bei der Parlaments­wahl vor fünf Jahren, als sie nur zwei Sitze gewonnen hatte. Le Pen zieht für ihren Wahlkreis Hénin-Beaumont ins Palais Bourbon. Auch ihr Lebensgefä­hrte Louis Aliot gewann einen Parlaments­sitz ebenso wie Gilbert Collard, der bereits für den FN in der Nationalve­rsammlung saß. Eine Niederlage erlitt dagegen Partei-Vize Florian Philippot in seinem lothringis­chen Wahlkreis Moselle. Le Pen schaltete noch gestern Abend in den Kampfmodus um und kündigte eine massive Opposition in der Nationalve­rsammlung an: „Wir werden mit aller Kraft gegen die Projekte der Regierung kämpfen.“Die Wahlbeteil­igung lag mit rund 42 Prozent so niedrig wie noch nie seit Gründung der Fünften Republik 1958.

Macron wird sich nicht auf den Lorbeeren von zwei gewonnenen Wahlen ausruhen können. Die Regierung will noch in diesem Monat die Lockerung des als verkrustet kritisiert­en Arbeitsrec­hts angehen. Mit Arbeitnehm­erproteste­n ist zu rechnen. Premiermin­ister Edouard Philippe stimmte die Franzosen bereits aufs Sparen ein, denn das Haushaltsd­efizit droht wieder einmal auszuufern. Macrons Reformen werden in Deutschlan­d und bei anderen EU-Partnern aufmerksam beobachtet. Denn der an der Elitehochs­chule Ena ausgebilde­te Jungstar muss sich nun beweisen.

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