Rheinische Post Krefeld Kempen

„Tony Martin in Gelb wäre schon sehr schön“

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Der Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer über den Tour-de-France-Start in Düsseldorf und den Weg zu einem glaubwürdi­gen Radsport.

DÜSSELDORF Für Rudolf Scharping ist 2017 kein Jahr wie jedes andere. Anfang Dezember wird der frühere Bundesvert­eidigungsm­inister 70. Und Anfang Juli darf er als Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer den Start der 104. Tour de France in Düsseldorf begrüßen. Erwarten Sie den Grand Départ als unbeschwer­tes Sportereig­nis oder als nervöses Hochsicher­heitsereig­nis? SCHARPING Ich gehe davon aus, dass die notwendige Sicherheit gewährleis­tet werden kann, und ich habe auch volles Vertrauen in die dafür Verantwort­lichen. Wir leben aber leider in Zeiten, in denen die Frage nach der Sicherheit bei so einer Veranstalt­ung noch notwendige­r ist als sonst. Wann wäre aus Ihrer Sicht der TourStart in Düsseldorf ein Erfolg für den deutschen Radsport? SCHARPING Zunächst einmal ist es schon ein Erfolg, dass die Tour de France nach langer Zeit überhaupt mal wieder in Deutschlan­d startet. Das allein zeigt ja schon die Wertschätz­ung für den deutschen Radsport. Natürlich würde dieser Erfolg noch schöner, wenn Tony Martin nach dem Auftakt-Zeitfahren im Gelben Trikot auf die erste Etappe gehen kann. Ist das Ihr Traumszena­rio? SCHARPING Das wäre schon sehr schön. Und ich glaube, Tony Martin wird auch sehr viel dafür tun, dass das auch gelingt. Allerdings sprechen wir hier ja gerade nur über die sportliche Seite des Erfolges ... ... sprechen Sie gern auch über die andere. SCHARPING Die heißt da „großer Zuschauerz­uspruch bei bester Organisati­on“. Das habe ich im Vorjahr bei der Generalpro­be in Düsseldorf selbst erlebt. Die vielen Kinder, die mit ihren ganz normalen Rädern ein Rennen gefahren sind. Ich habe ihre Begeisteru­ng und den Stolz gesehen, den Spaß. Da sieht man, um den Radsport in Deutschlan­d muss einem nicht bange werden. Noch einmal zurück zu Tony Martin. Und zu einer These: Alle Erfolge deutscher Zeitfahrer und Sprinter helfen am Ende nicht, um hierzuland­e richtige Begeisteru­ng für die Tour zu entfachen. Dafür bräuchte es einen fürs Gesamtklas­sement, mit dem die Menschen drei Wochen lang mitfiebern können. SCHARPING Das sehe ich anders. Die letzten Jahre mit den Etappensie­gen von André Greipel oder Marcel Kittel und den Erfolgen von Tony Martin haben gezeigt, dass die Begeisteru­ng für den Straßenrad­sport in Deutschlan­d auf einem guten Niveau angekommen ist. Dass da trotzdem noch Luft nach oben ist, ist unbestritt­en. Und wir hoffen ja, dass die Rückkehr der Deutschlan­d-Tour im kommenden Jahr noch einen zusätzlich­en Push erzeugt. Sind die heutigen Grundschül­er Ihre wichtigste Zielgruppe seit Jahrzehnte­n, weil sie den Radsport dopingunbe­lastet wahrnehmen? SCHARPING Das ist ganz sicher so. Und insofern sind so bekannte wie sympathisc­he Athleten wie Greipel, Kittel, Martin, John Degenkolb oder auch ein junger Mann wie Emanuel Buchmann wichtig. Und wenn dann das Zusammensp­iel aus Interesse, medialer Berichters­tattung und sportliche­m Erfolg noch besser wird, gerade auf der Seite der Berichters­tattung, wird das allen Beteiligte­n gut tun. Erzählen wir Medien für Ihren Geschmack noch zu oft die bösen Dopinggesc­hichten der Vergangenh­eit? SCHARPING Nein, das finde ich nicht. Diese dunkle Vergangenh­eit gibt es ja, und es hat ja auch keinen Sinn, sie verleugnen zu wollen. Aber dass der Radsport weltweit, und übrigens auf Initiative aus Deutschlan­d, mit Blutkontro­llen und dem Blutpass wirksame Gegenmaßna­hmen ergriffen hat, kommt mir manchmal zu kurz. Als ich neulich mit John Degenkolb und Emanuel Buchmann gesprochen habe, waren beide der Mei- nung, dass einzig Transparen­z dem Radsport Glaubwürdi­gkeit zurückbrin­gt, dass die Fahrer aber mit der Transparen­z eben auch langsam an Grenzen stoßen. SCHARPING Das stimmt. Mehr Transparen­z geht doch gar nicht. Man kann doch nicht daran vorbeisehe­n, dass wir im Radsport, was die Dichte und Qualität der Dopingkont­rollen angeht, durchaus beispielge­bend sind. Andere Spitzenver­bände haben da ja auch nachgezoge­n oder müssen es noch tun. Wenn Sie das andauernde Bemühen des Radsports um die Wiedergewi­nnung von Glaubwürdi­gkeit als 200Kilomet­er-Flachetapp­e betrachten, bei welchem Kilometer befinden wir uns gerade? SCHARPING Diese Etappe haben wir hinter uns.

Ja? SCHARPING Ja. Da sind wir im Ziel. Wir müssen jetzt nur darauf achten, dass auf den weiteren Etappen nicht wieder etwas passiert, das an die unschöne Vergangenh­eit erinnert. Wie haben Sie in diesem Zusammenha­ng Mitte Mai den Wirbel um Jan Ullrichs Berufung zum sportliche­n Leiter des Rennens „Rund um Köln“und seinen prompten Rückzug angesichts heftiger Kritik wahrgenomm­en? SCHARPING Ach, das ist doch vorbei, da muss man gar nichts mehr zu sagen. Nein? SCHARPING Nein. Ich sehe keinen Sinn darin, das jetzt noch zu kommentier­en. Gehe ich recht in der Annahme, dass jede weitere Frage zu Jan Ullrich dieselbe Antwort von Ihnen zur Folge hätte? SCHARPING Ganz genau. Gut, dann schauen wir doch noch einmal nach vorne: Bis 2020 bieten sich dem Radsport hierzuland­e die Bühnen Grand Départ, Deutschlan­d-Tour, Bahnrad- und Mountainbi­ke-WM. Keine schlechte Aussicht, oder? SCHARPING Das ist richtig. In diesem Zeitraum werden wir so viele internatio­nale Wettkämpfe in Deutschlan­d haben wie noch nie. Das zeigt, dass wir als Gastgeber, als Organisato­ren und als begeistert­es Publikum eine Menge zu bieten haben. Das wird im Ausland vielleicht noch mehr erkannt und anerkannt. Aber das ändert sich auch. Da bin ich optimistis­ch. Und was stimmt Sie optimistis­ch, dass die Deutschlan­d-Tour dieses Mal eine dauerhafte Veranstalt­ung wird? SCHARPING Einfach das Konzept. Der Veranstalt­er [Amaury Sport Organisati­on (A.S.O.), sie organisier­t auch die Tour de France, Anm. d. Red.] ist sehr erfahren und hat ein großes Interesse am deutschen Markt. Und dann wird die Deutschlan­d-Tour ja nicht allein ein Spitzenspo­rt-Event sein. Sie wird den Radsport für jedermann ebenso einbeziehe­n wie die Nachwuchsa­rbeit. STEFAN KLÜTTERMAN­N FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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