Rheinische Post Krefeld Kempen
Charmantes Stück erobert die Herzen
Gelungener Einstieg mit „Michel aus Lönneberga“: Gestern Nachmittag eröffnete Intendant Jan Bodinus die Neersener Schlossfestspiele mit dem Stück von Astrid Lindgren. Die Zuschauer hatten viel Freude an dem kleinen Schelm.
NEERSEN Mit einem wilden Hahnenschrei und einer Kuh, die ob ihres lustigen Kostüms sofort für Lacher sorgt, beginnt „Michel aus Lönneberga“, das Familienstück der diesjährigen Freilicht-Theater-Saison vor der Kulisse des Neersener Schlosses. Und wild und lustig geht es weiter, so dass Kinder (empfohlen sei das Stück ab Grundschulalter), Jugendliche, Erwachsene und Senioren kichern, lachen, schmunzeln und immer wieder den Kopf schütteln über diesen Michel, der es meistens gut meint, aber oft kein glückliches Händchen hat.
Holger Stolz, der seit zehn Jahren zum Neersener Ensemble gehört, spielt den blonden Jungen mit der blauen „Müsse“, wie Michel seine Mütze nennt, mit viel Charme und Leichtigkeit. Er hüpft über die Bühne, strotzt vor Energie und strahlt eine Lebensfreude aus, die ansteckend ist. Selbst als sein Kopf in der Suppenschüssel steckenbleibt, verliert Michel nicht seinen Humor. Sein Vater hingegen, den Kay Szacknys verkörpert, findet Michels Ungeschicklichkeit nicht so lustig, zumal er meistens der Leidtragende ist.
Auch die Magd Lina gehört nicht zu Michels Fangemeinde. Allerdings spielt Sylvia Schitter sie nicht ganz so missmutig, wie Astrid Lindgren den Charakter in ihrem Buch vorgibt. Vielmehr verleiht Sylvia Schitter, die erstmals auf der Neersener Bühne steht, ihrer Lina eine sympathische Art, die vor allem über ausdrucksstarke Mimik mit dem Publikum kommuniziert. Von dieser Schauspielerin möchte man gerne mehr sehen. Aber auch Jennifer Tilesi Silke, ebenfalls ein neues Gesicht in Neersen, füllt ihre Rolle als Klein-Ida gut aus. Mit dabei ist wieder Sven Post, der unter anderem schon als „Captain Hook“begeisterte und jetzt Knecht Alfred spielt, Michels Freund. In die Rolle von Michels Mutter ist Reinhild Köhncke geschlüpft, die die bedingungslose Liebe zu ihrem Sohn überzeugend darstellt. Überzeugend ist auch das Bühnenbild. Ausstatterin Silke von Patay und ihr Team schaffen es wieder einmal, mit einfachen Mitteln und ohne große Umbauphasen den Katthulthof, das Krankenhaus und den Jahrmarkt, den die Familie besucht, auf die Freilichtbühne zu zaubern.
Dass dabei diesmal die gesamte Schlosskulisse mitbespielt wird, kommt gut an, weil so die Statik der Bühne aufgehoben und den Zuschauern die Möglichkeit geboten wird, an verschiedenen Stellen etwas zu entdecken.
Das ist aber nur eine der vielen originellen Ideen aus der Regie, die erstmals Gideon Rapp übernommen hat, den das Publikum in den Vorjahren unter anderem als Phileas Fogg („In 80 Tagen um die Welt“), als gestiefelten Kater und als „Pfeiffer mit drei f“kennen und schätzen gelernt hat. Wie als Schauspieler betrachtet der 34-Jährige die Figuren auch als Regisseur mit liebvollem Blick. Und wie Rapp die Szene gelöst hat, in der Klein-Ida von Michel an der Fahnenstange hochgezogen wird, ist sehenswert.
Auch die Szene, in der der Vater in der Toilettentür steckenbleibt oder die geräuschvolle Untermalung einer Prügelei, sind kleine Höhepunkte. Dass der vielseitig Talentierte auch die Musik zum Stück komponierte hat und schließlich als Bulte selber in einer kleinen Rolle auf der Bühne steht, rundet das gelungene Werk ab.
So gibt es am Ende verdienten Applaus von den kleinen und großen Premiere-Zuschauern, die noch auf dem Weg nach Hause über diesen Michel schmunzeln und sich an der schwungvollen 70-minütigen Inszenierung des Lindgren-Klassikers erfreuen.