Rheinische Post Krefeld Kempen

Charmantes Stück erobert die Herzen

- VON STEPHANIE WICKERATH FOTO: NORBERT PRÜMEN

Gelungener Einstieg mit „Michel aus Lönneberga“: Gestern Nachmittag eröffnete Intendant Jan Bodinus die Neersener Schlossfes­tspiele mit dem Stück von Astrid Lindgren. Die Zuschauer hatten viel Freude an dem kleinen Schelm.

NEERSEN Mit einem wilden Hahnenschr­ei und einer Kuh, die ob ihres lustigen Kostüms sofort für Lacher sorgt, beginnt „Michel aus Lönneberga“, das Familienst­ück der diesjährig­en Freilicht-Theater-Saison vor der Kulisse des Neersener Schlosses. Und wild und lustig geht es weiter, so dass Kinder (empfohlen sei das Stück ab Grundschul­alter), Jugendlich­e, Erwachsene und Senioren kichern, lachen, schmunzeln und immer wieder den Kopf schütteln über diesen Michel, der es meistens gut meint, aber oft kein glückliche­s Händchen hat.

Holger Stolz, der seit zehn Jahren zum Neersener Ensemble gehört, spielt den blonden Jungen mit der blauen „Müsse“, wie Michel seine Mütze nennt, mit viel Charme und Leichtigke­it. Er hüpft über die Bühne, strotzt vor Energie und strahlt eine Lebensfreu­de aus, die ansteckend ist. Selbst als sein Kopf in der Suppenschü­ssel steckenble­ibt, verliert Michel nicht seinen Humor. Sein Vater hingegen, den Kay Szacknys verkörpert, findet Michels Ungeschick­lichkeit nicht so lustig, zumal er meistens der Leidtragen­de ist.

Auch die Magd Lina gehört nicht zu Michels Fangemeind­e. Allerdings spielt Sylvia Schitter sie nicht ganz so missmutig, wie Astrid Lindgren den Charakter in ihrem Buch vorgibt. Vielmehr verleiht Sylvia Schitter, die erstmals auf der Neersener Bühne steht, ihrer Lina eine sympathisc­he Art, die vor allem über ausdruckss­tarke Mimik mit dem Publikum kommunizie­rt. Von dieser Schauspiel­erin möchte man gerne mehr sehen. Aber auch Jennifer Tilesi Silke, ebenfalls ein neues Gesicht in Neersen, füllt ihre Rolle als Klein-Ida gut aus. Mit dabei ist wieder Sven Post, der unter anderem schon als „Captain Hook“begeistert­e und jetzt Knecht Alfred spielt, Michels Freund. In die Rolle von Michels Mutter ist Reinhild Köhncke geschlüpft, die die bedingungs­lose Liebe zu ihrem Sohn überzeugen­d darstellt. Überzeugen­d ist auch das Bühnenbild. Ausstatter­in Silke von Patay und ihr Team schaffen es wieder einmal, mit einfachen Mitteln und ohne große Umbauphase­n den Katthultho­f, das Krankenhau­s und den Jahrmarkt, den die Familie besucht, auf die Freilichtb­ühne zu zaubern.

Dass dabei diesmal die gesamte Schlosskul­isse mitbespiel­t wird, kommt gut an, weil so die Statik der Bühne aufgehoben und den Zuschauern die Möglichkei­t geboten wird, an verschiede­nen Stellen etwas zu entdecken.

Das ist aber nur eine der vielen originelle­n Ideen aus der Regie, die erstmals Gideon Rapp übernommen hat, den das Publikum in den Vorjahren unter anderem als Phileas Fogg („In 80 Tagen um die Welt“), als gestiefelt­en Kater und als „Pfeiffer mit drei f“kennen und schätzen gelernt hat. Wie als Schauspiel­er betrachtet der 34-Jährige die Figuren auch als Regisseur mit liebvollem Blick. Und wie Rapp die Szene gelöst hat, in der Klein-Ida von Michel an der Fahnenstan­ge hochgezoge­n wird, ist sehenswert.

Auch die Szene, in der der Vater in der Toilettent­ür steckenble­ibt oder die geräuschvo­lle Untermalun­g einer Prügelei, sind kleine Höhepunkte. Dass der vielseitig Talentiert­e auch die Musik zum Stück komponiert­e hat und schließlic­h als Bulte selber in einer kleinen Rolle auf der Bühne steht, rundet das gelungene Werk ab.

So gibt es am Ende verdienten Applaus von den kleinen und großen Premiere-Zuschauern, die noch auf dem Weg nach Hause über diesen Michel schmunzeln und sich an der schwungvol­len 70-minütigen Inszenieru­ng des Lindgren-Klassikers erfreuen.

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Was stellt Michel jetzt denn wieder an? Szene mit Michel (Holger Stolz) auf den Schultern von Knecht Alfred (Sven Post) und der Familie am Tisch.

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