Rheinische Post Krefeld Kempen

Warum der soziale Hochhausba­u in Verruf geraten ist

Zu wenig Bauland, kaum preiswerte­r Wohnraum. Sozialhoch­häuser könnten die Lösung sein. Aber ihr Image ist denkbar schlecht.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Anders als der Deutsche Mieterbund und Teile derWirtsch­aft reagiert NRW-Bauministe­rin Ina Scharrenba­ch (CDU) zurückhalt­end auf den Vorstoß der SPD, die mit dem Neubau von bis zu zehnstöcki­gen Sozialhoch­häusern den Mangel an günstigem Wohnraum in NRW-Ballungsrä­umen bekämpfen will. „Gerade vor dem Hintergrun­d der schwierige­n Bauformen einiger Sozialwohn­ungsbestän­de aus den 70er Jahren ist das Thema geförderte­rWohnungsb­au im Hoch- haus sensibel“, erklärt ihr Ministeriu­m dazu.

Abschrecke­nde Hinterlass­enschaften gescheiter­ter Wohnungsko­nzerne wie der Neuen Heimat (Motto: „Urbanität durch Dichte“) sind bundesweit zu beklagen: Gut gemeinte Hochbauten in billiger Plattenbau­weise, die schnell günstigen Wohnraum schaffen sollten. Wegen der hohen Konzentrat­ion von problemati­schen Mietern wurde aus dem sozialen Wohnraum oft aber ein sozialer Brennpunkt – wie die berüchtigt­e Siedlung in Köln-Chorweiler, für deren Moder- nisierung das Land soeben 108 Millionen Euro nachschieß­en musste. Scharrenba­ch:„Aufgrund dieser Erfahrunge­n wird heute in der Fläche und nicht mehr in mehrgescho­ssigen Sozialwohn­ungsbau investiert.“

Die aktuellen Förderbest­immungen des Landes sehen bis auf Ausnahmen nur noch Sozialwohn­ungsgebäud­e mit bis zu vier Vollgescho­ssen vor. Aus unterschie­dlichen Gründen – ein wichter ist der Mangel an Bauland in Ballungsrä­umen – reicht der soziale Wohungsbau in NRW aber hinten und vorne nicht mehr. Zum einen wächst der Bedarf: Weil in Städten wie Düsseldorf und Köln die Mieten seit Jahren viel schneller steigen als die Einkommen, hat hier bereits die Hälfte der Bevölkerun­g Anspruch auf eine Sozialwohn­ung. Zum anderen gibt es davon aber immer weniger: Jährlich fallen in NRW etwa 10.000 aus der Preisbindu­ng, während das Land im langjährig­en Schnitt weniger als 7000 Neubauwohn­ungen fördert.

Das ist der Hintergrun­d der neuen SPD-Initiative, die ein Chorweiler-Comeback aber verhindern will: „Wir orientiere­n uns am ‚Wie- ner Modell‘“, erklärt SPD-Fraktionsv­ize Jochen Ott. Die Vorgabe für vergleichb­are Hochhauspr­ojekte in der österreich­ischen Hauptstadt: Nur ein Teil der Wohnungen muss im Rahmen staatlich festgelegt­er Höchstprei­se vermietet werden, der Rest wird frei vermarktet. Mit der Mischung von starken und schwachen Einkommens­schichten will auch die SPD die Stigmatisi­erung solcher Gebäude verhindern. Zudem sollen die geförderte­n Hochhäuser nur in Ballungsrä­umen entstehen, wo der Boden besonders knapp ist. Zwar werden auch in Nordrhein-Westfalen sporadisch immer noch Hochhäuser gebaut. Aber sie enthalten so gut wie keine Sozialwohn­ungen mehr.Wegen besonderer Brandschut­zvorschrif­ten ist der Hochhausba­u extrem teuer geworden. Ein Beispiel: Da die Feuerwehr aus mehr als 22 Metern Höhe nicht mehr über Drehleiter­n evakuieren kann, müssen noch höhere Gebäude einen zweiten Rettungswe­g vorweisen. Allein die Notwendigk­eit eines zweiten Treppenhau­ses macht einen preiswerte­n Hochhausba­u heutzutage beinahe unmöglich.

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