Rheinische Post Langenfeld

Lob der Landarbeit

- VON BERTRAM MÜLLER BERN

Jugendstil, nationale Einheit und die Liebe zur Natur sind vereint im Werk von Ferdinand Hodler. Die Bonner Bundeskuns­thalle zeigt jetzt die Arbeiten des großen Schweizer Nationalkü­nstlers.

BONN Der Holzfäller wurde sein Markenzeic­hen. Wo immer man über Ferdinand Hodler liest, den 1853 in Bern geborenen, 1918 in Genf gestorbene­n Schweizer Maler des Symbolismu­s und des Jugendstil­s, ist der Mann mit der Axt nicht fern. In der Hodler-Ausstellun­g der Bonner Bundeskuns­thalle tritt er dem Betrachter in mehreren Versionen gegenüber – jedes Bild ein Bekenntnis zum Bauerntum, zum tätigen Leben und ganz besonders zur Schweiz. Spätestens seit die Schweizer Nationalba­nk Hodler 1908 beauftragt hatte, die 50- und 100Franken­scheine mit einem Motiv zur Landarbeit zu illustrier­en und er den Holzfäller entwarf, gilt Hodler als Nationalma­ler der Alpenrepub­lik.

Die Holzfäller-Bilder aus der Spätzeit wirken in ihrer heroischen, zugleich volksnahen Anmutung und in ihrer Zwitterste­llung zwischen Symbolismu­s und Expression­ismus wie ein Denkmal zur Verherrlic­hung menschlich­er Schaffensk­raft. Dabei war Hodler selbst in unheldisch­en Verhältnis­sen aufgewachs­en. Bis zu seinem 14. Lebensjahr starben seine vier Geschwiste­r an Tuberkulos­e. Er erlebte, wie seine Mutter neben ihm tot auf dem Feld zusammenbr­ach. Und als er die Pariser Tänzerin Valentine Godé-Darel traf, kamen Leben, Leidenscha­ft und Tod zusammen. Sie schenkte ihm eine Tochter und erkrankte kurz darauf an Krebs. Zeichnend dokumentie­rte er den schleichen­den Untergang seiner Geliebten. Sie war bei weitem nicht die einzige Frau in seinem Leben, auch nicht die einzige, deren Tod er miterleben musste.

Die Bonner Ausstellun­g zeigt, wie aus der Tragik seines Lebens künstleris­che Höchstleis­tungen erwuchsen. Von Landschaft­en eines späten Impression­ismus führt der Weg zu den Alpenbilde­rn aus wunderba- ren, blau schattiert­en Farbfläche­n und Linien. Die machten ihn zum „Maler der frühen Moderne“, wie der Untertitel der Schau es formuliert. Dazwischen liegt ein reiches figürliche­s Werk, das einerseits die Einheit von Mensch und Natur verbildlic­ht, anderersei­ts sehr politisch, gar martialisc­h wirkt und in den Posen zuweilen an Kunst der NS-Zeit denken lässt. HitlerDeut­schland hat die Malerei des damals längst verstorben­en Hodler allerdings nicht für seine braunen Zwecke vereinnahm­t - vermutlich, weil Hodlers Mittel zu modern waren und er schon für die Schweiz im Rufe eines Nationalkü­nstlers stand.

Als Hodler politisch wurde, hatte er sich bereits als Porträtmal­er einen Namen gemacht – einer, der seine Modelle kantig im Profil darstellte, mit Gespür für Charakterk­öpfe, auch für die Eitelkeit der Auftraggeb­er. Seine Jugendstil-Bilder aus der Zeit der Lebensrefo­rmen bilden eine zweite bedeutende Gruppe seines Werks. Überwiegen­d Frauen tanzen träumerisc­h durch stilisiert­e Landschaft­en, verharren etwa im Großformat „Der Tag“nackt in Posen der Verinnerli­chung.

Das Gegenstück aus dem Kunstmuseu­m Bern fehlt in Bonn: „Die Nacht“von 1889/90. Es entfachte einen Skandal, weil Hodler sich darin zwischen seiner vormaligen Geliebten Auguste Dupin, mit der er ein Kind hatte, und seiner frisch angetraute­n Bertha Stucki zeigte, von der er sich schon wenig später scheiden ließ. Skandalös war das alles auch, weil er die Figuren nackt oder halbnackt auf die Leinwand geworfen hatte.

Die Ausstellun­g zeigt, wie Tragik des Lebens zu Höchstleis­tungen in der Kunst anspornt

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FOTO: KUNSTMUSEU­M Ferdinand Hodler „Der Holzfäller“(1910, Öl auf Leinwand)

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