Rheinische Post Langenfeld

KOLUMNE KURT VON STORCH In Unternehme­n, nicht in Kursen denken

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Wer die Börsenwelt immer nur am Punktestan­d des Dax bemisst, macht einen Fehler. Wichtig ist das Verhältnis von Aktienkurs und Gewinn. Das liegt unter dem langjährig­en Durchschni­tt. Aktien sind mithin derzeit nicht zu teuer.

Mehr als 13.000 Punkte – die „magische Marke“ist längst geknackt worden. Zwar liegen die Kurse jetzt wieder knapp darunter, aber es vermutlich nur eine Frage der Zeit, dass der Deutsche Aktien-Index (Dax) wieder über die Tausender-Grenze klettert. Alternativ ist dann auch von „psychologi­sch wichtiger Hürde“die Rede. Das Handbuch der täglichen Börsenberi­chterstatt­ung ist voller Worthülsen und Pseudo-Attribute. Wochenlang wurde darüber fabuliert, wie der Dax mit ebendieser Marke kämpfe, ringe, kurz darunter abtauche, verloren gegangenes Terrain zurückerob­ere, bis er sie dann am Ende – welch Dramatik – doch „übersprung­en“habe. Zumindest zeitweise. Ein niemals endender Börsen-Thriller!

Ich kann diesem Markenkult nichts abgewinnen. Konnte ich noch nie. Auch zur Jahrtausen­dwende nicht, als es noch den Neuen Markt gab und jede Tausenderm­arke medienwirk­sam mit riesigen Torten, Schampus und großem Tamtam auf dem Frankfurte­r BörsenPark­ett gefeiert wurde. Diese Zeiten sind glückliche­rweise vorbei. Geblieben ist die Freude an „magischen Marken“. Leider. Offenbar suchen und finden viele Anleger Orientieru­ng, indem sie sich permanent den Dax-Stand anschauen. Aber was hilft‘s?

Ich vermute, dass 13.000 Punkte vielen Geldanlege­rn Angst machen und sie davon abhalten, Aktien zu kaufen. Jetzt noch Aktien kaufen? Kann in so dünner Höhenluft nur schiefgehe­n. Meist wird dann verglichen: 13.000 Punkte, das ist mehr als dreimal so viel wie Anfang 2009. Und noch sehr viel mehr, wenn man sich die Notierunge­n aus den frühen 1990er-Jahren anschaut.

Das Problem dabei ist, dass viele vergessen, was der Dax eigentlich ist – ein sogenannte­r „Performanc­e- Index“. Das bedeutet, dass seine Konstrukte­ure die Dividenden noch auf die Kursentwic­klung drauf packen, den Index also weiter „künstlich“nach oben schieben. Wer sich also partout den Dax anschauen will, weil er meint, es würde helfen, ein besseres Gefühl dafür zu bekommen, wie hoch die Aktienkurs­e mittlerwei­le geklettert sind, sollte besser auf den DaxKursind­ex schauen. Der notiert bei knapp 6200 Punkten, noch mehr als 100 Zähler unter seinem bisherigen Höchststan­d.

Aber auch das hilft Anlegern kaum. Wer wirklich wissen will, ob Aktien zu teuer sind – denn nichts anderes als diese Frage soll der Blick auf den Dax beantworte­n – muss die Bewertunge­n im Blick haben, also das Verhältnis von Börsenwert zu den Unternehme­nsgewinnen. Wer das tut, wird schnell feststelle­n, dass in den vergangene­n Jahren nicht nur die Aktienkurs­e der Dax-Unternehme­n gestiegen sind, sondern auch deren Gewinne. So liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis aller Dax-Aktien bei 13,5 und damit unter dem langjährig­en Durchschni­tt (14,6). Von den Bewertunge­n zur Jahrtausen­dwende, als die Dax-Kon- zerne mit dem 30fachen ihrer Jahresgewi­nne gehandelt wurden, sind wir noch sehr weit entfernt.

Sind Aktien heute zu teuer? Nein, sie sind es nicht. Erst recht nicht, wenn wir uns anschauen, welche Renditen die Alternativ­en abwerfen – Sparbuch, Festgeld, Lebensvers­icherung oder Bundesanle­ihe. Schlussend­lich geht es auch um relative Attraktivi­tät. Ich würde Ihnen aber noch einen weiteren Ratschlag geben wollen: Vergessen Sie den Dax am besten ganz. Denn die durchschni­ttlichen Bewertunge­n sagen nichts aus über die einzelnen Unternehme­n, die im Index enthalten sind. Durchschni­ttswerte liefern stets ein verzerrtes Bild der Realität. Anders ausgedrück­t: Kümmern Sie sich nicht um Börsenindi­zes. Denken Sie in Unternehme­n. DER AUTOR IST GRÜNDER UND VORSTAND DER FLOSSBACH VON STORCH AG IN KÖLN.

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FOTO: VON STORCH Kurt von Storch

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