Rheinische Post Langenfeld

Runter vom Trittbrett!

- VON MATTHIAS BEERMANN

MEINUNG Jahrzehnte­lang hat Deutschlan­d mit fadenschei­nigen Ausreden auf Kosten seiner Verbündete­n beim Militär gespart. Das können wir uns angesichts einer bröckelnde­n Weltordnun­g nicht mehr erlauben.

Der Brief trägt die Unterschri­ft des Bundesvert­eidigungsm­inisters, er ist gerichtet an die SPD-Fraktion im Bundestag. Er enthält einen alarmieren­den Befund: Die Bundeswehr, so heißt es, sei „nicht mehr voll bündnisfäh­ig, noch nicht europafähi­g und auch nicht in der Lage, die Verpflicht­ungen für die Zukunft zu erfüllen“.

Das Schreiben datiert vom März 2000. Sein Verfasser: Rudolf Scharping, SPD. Der deutsche Verteidigu­ngsetat betrug seinerzeit 1,4 Prozent des Bruttoinla­ndprodukts (BIP). Und schon damals sorgten sich die Nato-Partner, wie denn Deutschlan­d in Zukunft seine militärisc­hen Verpflicht­ungen zu erfüllen gedenke. Doch entspreche­nde Mahnungen wurden in Berlin einfach ignoriert – in einer großen Koalition der militärpol­itischen Verantwort­ungslosigk­eit.

Man muss sich empören über Donald Trump, der Autokraten und Diktatoren schmeichel­t, während er sich in wüste Tiraden gegen Amerikas Verbündete versteigt. Aber in diesem Punkt hat der US-Präsident leider recht: Einige Bündnispar­tner erfüllen ihre finanziell­en Verpflicht­ungen nicht, und Deutschlan­d geht dabei mit ganz schlechtem Beispiel voran.

Als die Nato 2014 eine Zielvorgab­e bei den Verteidigu­ngsausgabe­n von zwei Prozent des BIP beschloss, stimmten die Deutschen zu. Nur haben sie sich nie an ihre Zusage gehalten. Der Anteil der Militäraus­gaben sackte sogar noch weiter ab, auf rund 1,2 Prozent des BIP. Die eigentlich­en Ausgaben für die Beschaffun­g vonWaffen sowie Forschung liegen sogar bei nur 0,17 Prozent; Frankreich und Großbritan­nien wenden mehr als doppelt so viel auf.

Daran, die Lücke zu schließen, ist offenbar nicht ernsthaft gedacht. Die Bundesregi­erung stellte stolz in Aussicht, den Verteidigu­ngsetat auf 1,5 Pro- zent bis 2024 zu erhöhen. Es ist nicht nur eine Frage der Prozentpun­kte, eine Frage des Geldes. Es ist vor allem eine Frage der Glaubwürdi­gkeit. Deutsche Politiker sind schnell dabei, im Ton moralische­r Entrüstung von anderen Ländern die Erledigung ihrer Hausaufgab­en fordern. Solidaritä­t sei schließlic­h keine Einbahnstr­aße, hieß es zu Zeiten der Finanzkris­e.

Doch bei den Militäraus­gaben erlaubt sich ausgerechn­et Europas reichstes Land vornehme Zurückhalt­ung – auf Kosten anderer.Weil man sich eben immer ganz sicher war, dass die USA und die Nato Deutschlan­d aufgrund seiner Bedeutung im Falle eines Falles doch heraushaue­n würden. Dafür gibt es ein treffendes Wort: Trittbrett­fahren. Damit sind sie in Berlin lange durchgekom­men, doch nun hat Donald Trump die höfliche Kritik seiner Vorgänger an der deutschen Wehr-Unlust erstmals mit der brutalen Drohung versehen, dass man Deutschlan­d künftig auch im Regen stehen lassen könnte, wenn es sein Verhalten nicht ändert.

Man muss sagen, dass die Regierende­n für ihre unsolidari­sche Verteidigu­ngspolitik viel Rückhalt bei denWählern genießen. Geld fürs Militär, das ist nicht populär hierzuland­e. Aber das ist keine Ausrede. Genauso wenig wie der vor allem gegenüber Ausländern gerne bemühte Hinweis auf die düstere deutsche Vergangenh­eit – als warte die Bundeswehr nur darauf, wie einst Hitlers Wehrmacht zu blutigen Eroberungs­feldzügen auszurücke­n. Ein fadenschei­niges Argument.

In Wirklichke­it verbirgt sich hinter der pazifistis­chen Pose meist nur politische­s Kneifen vor der Verantwort­ung: Sollen doch die anderen für uns die Kartoffeln aus dem Feuer holen! Das gilt selbst dann, wenn man in Deutschlan­d ausnahmswe­ise einmal voll hinter den Zielen eines Militärein­satzes steht, wie zum Beispiel beim Kampf gegen die Terrormili­z Islamische­r Staat. Dann ist

Einige Bündnispar­tner erfüllen ihre Verpflicht­ungen nicht, und Deutschlan­d geht mit ganz schlechtem

Beispiel voran

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