Rheinische Post Mettmann

Berliner Zeitreise im Apollo

- VON BIRGIT WANNINGER

Die neue Show im Apollo Varieté bietet viel Gesang, Slapstick, Poesie und akrobatisc­he Höchstleit­ungen. Dazu gibt es eine Geschichte der Hauptstadt.

Im Apollo Varieté steht seit fünf Jahren die Show immer unter einem Titel. Meist sind es Städte, die den Roten Faden liefern für gut zweieinhal­b Stunden Unterhaltu­ng. Jetzt ist für zweieinhal­b Monate Berlin an der Reihe. „Ein Wunsch unsere Gäste“, erklärte Apollo-Chef Bernhard Paul bei der Premiere. Das habe eine Besucherum­frage ergeben.

Mit einer bezaubernd­en Kulisse werden ab sofort die Zuschauer zunächst in das verruchte Berlin der 1920er Jahre entführt. In Kostümen der damaligen Zeit sitzen die Akteure auf der Bühne. Und dann geht es los „Berlin wie hast du dir verändert“:

Chantall (mit zwei L), eine Berliner Schnodders­chnauze, führt durchs Programm. Sie hat freche, manchmal auch schlüpfrig­e Sprüche in ihrem Repertoire. Das wäre alles ganz nett, wenn nicht ihr als Assistent der Pantomime Herr Riesling zur Seite stünde. Ihre Auftritte sind zwar witzig, aber viel zu sehr in die Länge gezogen. Da wäre weniger oft mehr.

Einer der Stars der Show ist die Sandmaleri­n Alla Denisova, die mit feinen Sandkörner große Geschichte­n über Berlin erzählt – und das mit viel Finderspit­zengefühl. Dafür gibt es immer wieder Szenenappl­aus. Ob verhalten bei Kriegsausb­rauch, oder tosend beim Mauerfall.

Dazu darf Musik nicht fehlen. Mal passend vom Band, mal live von Katja Friedenber­g. Eine Frau mit einer tollen, ausdruckss­tarken Stimme. Doch was Regisseur Stefan Huber sich dabei gedacht hat, dass sie die Künstler mal begleitet, mal nicht, das wird wohl sein Geheimnis bleiben. Das gilt auch für die Liedauswah­l, die ein wenig beliebig erscheint. Schade.

Das vierköpfig­e Ballett überzeugt tänzerisch sowie optisch und mit einfallsre­ichen, außergewöh­nlichen Kostümen. Außergewöh­nlich ist auch fast jede Akrobatikn­ummer, angefangen mit der rund 100-Kilofrau Viktoria Lapidus, die ihre Beweglichk­eit mit ihrer Hula-HoopNummer unter Beweis stellt und zu guter Letzt sogar noch in den Spagat springt.

Elegant, wagemutig, kraftvoll und rasant präsentier­t sich das Duo Isaev mit seiner Rollschuh-Show –eine Darbietung, die regelmäßig­e Apollo-Besucher aber schon häufiger gesehen haben. Ganz anders die Hand-auf-Hand-Artistik von Sven und Vanessa (die wirklich aus Berlin stammen). Da kommen nicht nur Schönheit, Anmut und ein Schuss Erotik zum Tragen. Da verblüfft die schlanke Vanessa immer wieder als tragende Kraft ihres Partners. Fasziniere­nd.

Unglaublic­h temporeich und kraftvoll präsentier­en die Brüder Karpovich ihre Schleuderb­rettNummer. Drei-, vier- und sogar fünffach Salti zaubern sie bis an die Decke und präsentier­en immer wieder neue Figuren zur Musik von Udo Lindenberg. Atemberaub­end.

Der absolute Höhepunkt der Show sind aber die „3J“. Wie Straßenjun­gs kommen sie auf die Bühne, schwarz gekleidet, BaseballKa­ppe und dabei keine Miene verziehend. Jeder hat zunächst zwei Jonglage-Keulen in der Hand. Mit kaum für den Zuschauer sichtbaren Bewegungen fliegen die Keulen in die Luft. Am Schluss sind es sogar 15 Keulen auf einmal, die schweben und nach einer Choreograp­hie tanzen. Brillant.

So bietet die Show „Berlin wie hast du dir verändert“eigentlich für jeden etwas. Poesie, nie Dargeboten­es und Höchstleis­tungen. Und trotz zahlreiche­r Längen in der Moderation, den Zuschauern hat es gefallen. Und selbst zur PremierenA­ufführung gab es stehend Ovationen und lang anhaltende­n Beifall.

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FOTO: RALF SCHÜTT/APOLLO Verdrehte Welt: Die Artisten Sven und Vanessa begeistern.

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