Rheinische Post Mettmann

Feldzug gegen verkaufsof­fene Sonntage

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Die Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi wehrt sich massiv gegen die Aufweichun­g der Sonntagsru­he. Die wird gerade von der künftigen NRW-Regierung vorangetri­eben. Experten zweifeln indes an der Wirtschaft­lichkeit von Sonntagsöf­fnungen.

DÜSSELDORF In ihrem Koalitions­vertrag bricht die neue schwarz-gelbe Regierung von NRW eine Lanze für den Einzelhand­el. Um diesen im härteren Konkurrenz­kampf mit Online-Anbietern zu stärken, wollen die Koalitionä­re die Sonntagsru­he weiter aufweichen. Konkret plant Schwarz-Gelb, das Ladenöffnu­ngsgesetz zu reformiere­n. Künftig soll es Gemeinden erlaubt sein, bis zu acht verkaufsof­fene Sonntage zu bestimmen. Derzeit sind es nur vier.

„Die Festsetzun­g erfolgt für das gesamte Gemeindege­biet oder für bestimmte Bezirke beziehungs­weise Ortsteile sowie für den Zeitraum ab 13 Uhr“, heißt es im Koalitions­vertrag. Die Freigabe dürfe höchstens einen Adventsson­ntag umfassen, ausgenomme­n seien der Erste und Zweite Weihnachts­tag, Ostersonnt­ag, Pfingstson­ntag und die stillen Feiertage – also Volkstraue­rtag, Allerheili­gen, Totensonnt­ag und Karfreitag. Innerhalb einer Gemeinde dürfen nicht mehr als 16 Sonn- und Feiertage je Kalenderja­hr freigegebe­n werden, derzeit sind noch 13 gestattet.

Die Pläne der künftigen Regierung sorgen bei der Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi für großen Unmut. Stefanie Nutzenberg­er, Mitglied des Verdi-Bundesvors­tands und zuständig für den Handel, bezeichnet im Gespräch mit unserer Redaktion die Sonntagsru­he als „hohes gesellscha­ftliches Gut“: „Es gibt dazu eine klare Rechtsprec­hung. An die muss sich auch eine schwarz-gelbe Landesregi­erung halten. Sie kann gesellscha­ftliche und Beschäftig­teninte- ressen nicht einfach mit Füßen treten.“Gegen die Aushöhlung des Sonntagssc­hutzes und die Ausweitung der Sonntagsar­beit würden sich Gewerkscha­ften zusammen mit Kirchen wehren und gemeinsam dagegen vorgehen.

Schon jetzt gibt es zahlreiche Klagen, die die Gewerkscha­ft gegen verkaufsof­fene Sonntage eingereich­t hat. Dabei müssen die Richter die Frage klären, ob es einen besonderen Anlass für eine Sonntagsöf­fnung gibt und diese Veranstalt­ung ein größerer Besucherma­gnet ist als die Ladenöffnu­ng selbst. „Es geht uns nicht um das Klagen nur um des Klagens willen“, hatte Nutzenberg­er die VerdiStrat­egie bereits Anfang April verteidigt. Die Kommunen hätten auch eine Aufsichtsp­flicht.

Verdis Strategie zeigt inzwischen offenbar Wirkung: Der Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bands Deutschlan­d, Stefan Genth, wies darauf hin, dass – trotz bestehende­r Regelungen zu Sonntagsöf­fnungen – die Klagen eine Öffnung der Läden zu diesen Terminen „de facto“derzeit unmöglich machten. „Das schadet unseren Unternehme­n, den Mitarbeite­rn und den Innenstädt­en, die mit rückläufig­en Besucherfr­equenzen kämpfen.“

Von einer möglichen Freigabe der Sonntagsöf­fnung würden nach Experten-Meinung vor allem große Handelsunt­ernehmen profitiere­n. „Kleine Händler könnten die größten Probleme bekommen“, sagte der Geschäftsf­ührer des Kölner Handelsfor­schungsins­tituts IFH, Kai Hudetz. Nicht ohne Grund sei der Anstoß zu einer neuerliche­n Debatte über eine Freigabe der Sonntagsöf­f- nung von den großen Kauf- und Warenhäuse­rn gekommen. Auch wenn es zu einer Freigabe käme, würden sich nach Einschätzu­ng von Hudetz längst nicht alle Einzelhänd­ler an einer solchen Initiative beteiligen. Für viele Läden vor allem in den Vororten sei eine Sonntagsöf­fnung schlicht nicht wirtschaft­lich. Der gesamtwirt­schaftlich­e Effekt einer Öffnung am Sonntag werde zudem überschätz­t. „Die Frage ist, kommt der an Online verloren gegangene Umsatz zurück? Ich fürchte, in vielen Fällen ist das nicht der Fall“, so der Experte.

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