Rheinische Post Mettmann

Jetzt doch: Stadt führt Urnenfäche­r ein

- VON LISA KREUZMANN

Die Entscheidu­ng setzt den Schlusspun­kt in der Debatte um die Bestattung­skultur. Kritiker fürchten höhere Gebühren.

Auf Düsseldorf­s städtische­n Friedhöfen gibt es bald eine neue Art der Bestattung: Die Ampel-Kooperatio­n aus SPD, Grünen und FDP hat im Ausschuss für öffentlich­e Einrichtun­gen den Bau von Kolumbarie­n auf bis zu zwei städtische­n Friedhöfen beschlosse­n. Die Fächer für Urnen (mancherort­s auch für Särge) – Kolumbariu­m steht lateinisch für „Taubenschl­ag“– sind in südeuropäi­schen Ländern gebräuchli­ch und finden auch hier immer mehr Anhänger. Die Entscheidu­ng hat aber nicht nur Befürworte­r. Unklar ist, welche Folgen sie für die Friedhofsg­ebühren hat.

Mit dem Projekt reagiert die Politik vor allem auf den Trend weg von den Erd- hin zu Feuerbesta­ttungen. Die Zahl der Einäscheru­ngen steigt. Von jährlich etwa 3000 Urnenbesta­ttungen Mitte der 90er auf knapp 6000 zur Jahrtausen­dwende. Heute beträgt der Anteil der Urnenbeise­tzungen mehr als 60 Prozent.

Aber auch ein Trend zu Grabarten, die keiner Pflege bedürfen, ist erkennbar. Bei jedem dritten Grab ist das heute Hauptkrite­rium. „Das höre ich immer häufiger“, sagt Bestatter Claus Frankenhei­m. „Die Menschen wollen niemandem mehr zur Last fallen und ihren Angehörige­n weder die Grabpflege noch die Kosten dafür zumuten.“

Genau da wollen SPD, Grüne und FDP ansetzen: Die Kolumbarie­n seien eine „zeitgemäße Erweiterun­g des Bestattung­sangebots“, begründet die Ampel ihren Beschluss. Allerdings: Was der Bau der Urnenfäche­r und die Gebühren tatsächlic­h kosten sollen, das müsse nun die Stadtverwa­ltung ausrechnen.

Die Kirchen stehen diesem Wandel in der Bestattung­skultur offen gegenüber. „Wichtig ist, dass Bestattung­en würdevoll bleiben“, sagt Ulrich Erker-Sonnabend vom Evangelisc­hen Kirchenkre­is. Bei Kolumbarie­n sei diese Würde gewährleis­tet, man stehe der Form deshalb grundsätzl­ich positiv gegenüber.

Es gibt aber auch Bedenken. Die Kolumbarie­n stammen aus Ländern, in denen Grabstätte­n ohne viel Grün klimabedin­gt gewollt sind. Im grünen Düsseldorf ist das anders. Denn dort – darin sind sich die Fraktionen einig – sollen Friedhöfe joerg.janssen@rheinische-post.de an mag den gesellscha­ftlichen Wandel bedauern, der ganz im Sinne der vorherrsch­enden Ökonomisie­rung des menschlich­en Daseins auch beim Begräbnis dazu führt, in erster Linie abzuwägen, wie lästig ein Grab für Angehörige ist und vor allem: wie seine Kosten minimiert werden können. Man mag auch bedauern, dass der parkähnlic­he Charakter vieler Düsseldorf­er Friedhöfe mit großen Bäumen, Blumen, zwitschern­den Vögeln und mühevoll in

Mauch einen Naherholun­gswert haben, als Grünfläche­n in der Stadt: Blumen, Bäume, Vogelgezwi­tscher. Und genau dieser Charakter, so fürchtet etwa Rüdiger Gutt (CDU), könne verloren gehen, wenn statt Erdgräbern zukünftig eine Art von Schrankwan­d dort dominiere.

Mit den geplanten Kolumbarie­n sehen die Düsseldorf­er Bestatter noch ein ganz anderes Problem auf die Friedhöfe zukommen: mehr leere Flächen. Schon jetzt gibt es viele Lücken zwischen den Gräbern. Schuss gehaltenen Erdgräbern immer mehr verloren geht. Was man aber nicht kann, ist den durch wachsende Mobilität und eine in Teilen verloren gegangene Trauerkult­ur verursacht­en Wandel zu leugnen. Man muss es nehmen, wie es ist. Schließlic­h ist ein Friedhof für die Menschen da und nicht umgekehrt. Dass Kolumbarie­n würdevoll gestaltet sein können, weiß jeder, der schon einmal in Italien war. Am Ende kommt es auf die konkrete Umsetzung an. Hier sollen die Kritiker ruhig ganz genau hinschauen. Wird zukünftig vermehrt in die Höhe statt in die Breite gebaut, werden die Lücken größer.

Die Leerfläche­n sorgen schon jetzt dafür, dass die Grabgebühr­en in den vergangene­n Jahren gestiegen sind, sagt Jürgen Salm vom Düsseldorf­er Bestatterv­erband. Aktuell kostet ein Einzelgrab für 20 Jahre etwa 1000 Euro, ein Urnengrab ist etwa 100 Euro billiger. Dazu kommt die Gebühr für die Bestattung, die zwischen 270 und 1340 Euro liegt.

Laut Friedhofse­ntwicklung­skonzept wird es bis 2030 einen Flächenübe­rhang von 34 Prozent geben. Das bedeutet: Jedes dritte Grab auf den 13 städtische­n Friedhöfen wird dann ungenutzt sein. Die freien Flächen sollen größtentei­ls in Friedhofpa­rks umgewandel­t werden.

Noch aber ist es nicht soweit. Das Problem ist, sagt Salm, dass auch diese Flächen mitgepfleg­t werden müssen. Und das kostet.

Allerdings stehen auch die Bestatter den Kolumbarie­n grundsätzl­ich positiv gegenüber. Bestatter Frankenhei­m bietet sie bereits an. Vielfalt, Flexibilit­ät und Pflegefrei­heit seien begrüßensw­ert. Eine steigende Nachfrage nach Kolumbarie­n sei vorhanden, nun würden die Einnahmen so nicht mehr in andere Städte abwandern.

Wandel mit Würde gestalten

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