Rheinische Post Mettmann

Armin Laschets 100-Tage-Programm

- VON THOMAS REISENER

Nicht alles, was der neue Ministerpr­äsident bis zum 6. Oktober umsetzen will, ist so schnell machbar. Was bis dahin geht und was nicht.

DÜSSELDORF Das Papier markierte den Endspurt im Landtagswa­hlkampf. Zwei Tage vor der Wahl ließ der jetzige Ministerpr­äsident und damalige Spitzenkan­didat der CDU, Armin Laschet, ein „100-Tage-Sofortprog­ramm“verteilen. Einen vierfarbig­en Druck mit 18 Punkten, die sich unter seiner Regierung sofort ändern sollen. Damals, vor gut sechs Wochen, war es noch ein Wahlkampf-Papier. Jetzt ist es sein erster Prüfstein. Die Zeit läuft. Wird Armin Laschet alle 18 Punkte bis zum 6. Oktober umgesetzt haben?

Gewöhnung schafft Realität. Das ist das Fatale an Entwicklun­gen, die sich so langsam vollziehen, dass sie kaum Kritik auslösen. Oder an Zuständen, die empörend sind, aber sich scheinbar unserem Einfluss entziehen.

So haben wir uns etwa daran gewöhnt, dass es in Wohlstands­gesellscha­ften Kinderarmu­t gibt. Ab und an unterlegen Studien das mit neuen Zahlen. Dann wird darauf hingewiese­n, dass arme Kinder schlechter­e Chancen in einem Bildungssy­stem haben, das ohnehin stark von der sozialen Herkunft abhängt. Oder dass allein das Gefühl, nicht dazuzugehö­ren, das Wohl armer Kinder beeinträch­tigt. Doch wie bei vielen Problemen, die tief mit der Struktur unseres Systems zu tun haben, führt das nur zu Schulterzu­cken und unguten Gefühlen. Und verstärkt das Empfinden, dass jeder selbst schauen muss, wo er bleibt. Den damals noch nicht vorhersehb­aren Kompromiss­en des Koalitions­vertrags zum Opfer gefallen ist bereits die Einführung der Schleierfa­hndung binnen 100 Tagen. Die FDP wollte nicht, dass jeder Bürger praktisch jederzeit kontrollie­rt werden darf. CDU und FDP einigten sich darauf, dass es dafür zumindest eines Anlasses bedarf. Damit ist das Instrument zeitlich und räumlich beschränkt. Aber auch für diese sogenannte strategisc­he Fahndung muss Laschet wohl das Polizeiges­etz ändern. Der künftige Innenminis­ter müsste dafür schon in der nächsten Woche mit dem Entwurf einer No- velle beginnen, der dann mit dem Kabinett abgestimmt, den Verbänden zur Anhörung vorgelegt, durch die Ausschüsse und durchs Parlament geschleust werden muss. 100 Tage sind wenig Zeit für ein neues Gesetz.

Das gilt auch für die Rückkehr zu G 9: Hierfür muss das Schulgeset­z geändert werden, was den Apparat der neuen Bildungsmi­nisterin Yvonne Gebauer (FDP) in den kommenden Wochen strapazier­en dürfte. Die Gymnasialr­eform wird zudem gekoppelt sein an die angekündig­te Einstellun­gsoffensiv­e bei Lehrern. Und die wiederum an den neuen Landeshaus­halt, den Schwarz-Gelb erst im Herbst vorlegen kann. Alles, was mit diesem zentralen Rechnungsw­erk der neuen Regierung zusammenhä­ngt, ist nach Einschätzu­ng von Insidern kaum innerhalb von 100 Tagen zu stemmen.

Das gilt auch für das 100-TageVerspr­echen „Wir bringen mehr Polizei auf die Straße“: Der angekündig­te Beschluss zur Neustellun­g von 2300 Nachwuchsk­räften ist vor der Haushaltsa­ufstellung kaum seriös machbar. Denkbar ist, dass das Kabinett hierzu ebenso wie zu den Schultheme­n und anderen kosten- relevanten Beschlüsse­n deshalb erst einmal nur Eckpunkte festlegen wird.

Schneller umsetzbar ist hingegen alles, was eine Landesregi­erung einfach anordnen kann. Die softwarege­stützte Erfassung des Unterricht­sausfalls an allen NRW-Schulen etwa oder die Aussetzung der Schließung von Förderschu­len. Das ebenfalls versproche­ne „bessere Baustellen­management“will Laschet dem Vernehmen nach mit einer ungewöhnli­chen Methode sicherstel­len. Weil die notwendige­n Firmen hierzuland­e weitgehend ausgebucht sind, sollen angeblich systematis­ch auch Firmen aus dem Ausland beauftragt werden.

Eine Großchance für einen ersten Achtungser­folg hat die neue Landesregi­erung am 7. Juli. Dann tagt der Bundesrat. Schwarz-Gelb will dort die Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsl­änder erreichen, um die Anzahl der von dort kommenden Flüchtling­e zu verringern. Die Gelegenhei­t ist günstig: Aktuell hätte dieses Anliegen im Bundesrat wohl eine Mehrheit. Offen ist, ob die NRW-Regierung es so kurzfristi­g noch schafft, das Thema dort auf die Tagesordnu­ng zu setzen.

Stolz aufs Auto war gestern

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