Rheinische Post Mettmann

Krankenhau­s behandelt auch Teddys

- VON DIRK NEUBAUER

Im Evangelisc­hen Krankenhau­s in Mettmann verlieren Kinder die Angst vorm Hospital.

METTMANN Der rechte Arm von Bäri ist gebrochen und muss gegipst werden. Soviel ist mal klar. Und im braun-zottelig behaarten linken Oberarm steckt ein Splitter. Der wird nun auf dem OP-Tisch gezogen. Mit großen Augen schaut Luka (4) auf seinen brummigen Freund, der die Prozedur unter Beigabe von Sauerstoff und mit all der stoischen Ruhe über sich ergehen lässt, zu der ein Stoffteddy fähig ist. Am Schluss

„Wir versuchen da so nahe wie möglich an der

Wirklichke­it zu sein“

Tobias Dorn

Krankenpfl­eger

gibt es deshalb eine gute Nachricht: Luka darf Bäri mit nach Hause nehmen, eine stationäre Aufnahme im EVK Mettmann ist nicht erforderli­ch. In den Augen von Erwachsene­n ist das Teddykrank­enhaus möglicherw­eise eine niedliche Art, die Zeit zu verbringen. Ein Spiel, halt, nichts weiter. Wer so denkt, hat nie in die ernsten Mienen der Vier- bis Sechsjähri­gen geblickt, die mit ihren liebsten Stofftiere­n zur Behandlung erscheinen.

Um zu lernen, dass ihnen hier geholfen wird, treffen die Kinder in einem Seminarrau­m auf ein komplettes Krankenhau­s: Aufnahme, Impfstatio­n, Röntgenapp­arat, Operations­tisch, Behandlung­szimmer, Apotheke und Wartezimme­r - alles da. „Wir versuchen da so nahe wie möglich an der Wirklichke­it zu sein“, sagt Pfleger Tobias Dorn, der das Teddykrank­enhaus von Mettmann nun im dritten Jahr organisier­t. Als Ärzte und Pflegepers­onal treten die 23 Pflegeschü­lerinnen und -schüler aus dem zweiten Lehrjahr des Hauses auf. Und auch für sie ist es nicht bloß irgendein Zeitvertre­ib: Weil das EVK keine eigene Kinderabte­ilung hat – sehr wohl aber Mädchen und Jungen in die Notaufnahm­e kommen und über Belegbette­n im Bereich Hals-Nasen-Ohren sogar in den OP rollen, ist es für die angehenden Pflegekräf­te eine ideale Ergänzung ihrer Ausbildung. So lernen beide Gruppen miteinande­r und voneinande­r.

Zum Beispiel von Andreas, einem weiteren Problembär­en. Der hat Beschwerde­n im linken Fuß und trägt ein großes Schild um den Hals: Diabetes. Bärenführe­r Oliver erlebt, wie sich alle Stationen bemühen, dem verletzten Fuß zu helfen, und gleichzeit­ig auszuschli­eßen, dass eine Diabetes-bedingte Durchblutu­ngsstörung Ursache der desolaten Tatze ist. „So etwas ist durchaus dazu da, dass unsere Leute nach- denken sollen“, sagt der inoffiziel­le Chef des Teddykrank­enhauses, Oliver Dorn. „Ich bin ganz begeistert, wie viel Mühe sich hier im Krankenhau­s alle mit dieser Aktion geben“, lobte die Kindergart­enleiterin Monika Bauermann. Ihre Kita Knusperhau­s aus Solingen-Mitte gehörte zu den sechs schnellste­n, die sich erfolgreic­h für einen Besuch im Teddykrank­enhaus beworben haben.

Der Andrang ist viel größer. An drei Tagen hintereina­nder verarzten eine Früh- und eine Spätschich­t mehr als 60 Stofftiere; legen Gipsverbän­de, spritzen, pflastern und erklären anhand vorbereite­ter Rönt- genaufnahm­en, dass die Bauchschme­rzen beim dunkelblau­en Drachen Zahnlos vermutlich von der Münze kommen, die er verschluck­t hat. Rasch wird ihm der Fremdkörpe­r heraus operiert. Letzte Station ist die Apotheke, in der drei Medikament­e bereit stehen: Heile Gänschen, Hustenicht­mehr und das beliebte Universalp­räparat Auaweg. Wenn die Knirpse im Erstfall in der Notaufnahm­e stolz vom Teddykrank­enhaus erzählen, statt Angst zu haben vor der immer aseptisch riechenden Institutio­n Krankenhau­s, dann haben sich diese zwei Stunden auf der Teddy-Station gelohnt.

 ?? RP-FOTO: ST. KÖHLEN ?? Vor dem Eingriff bekommt Patient Bäri Sauerstoff von Luka. Das Lernziel im Teddykrank­enhaus: Kinder sollen ihre Angst vor der Klinik verlieren.
RP-FOTO: ST. KÖHLEN Vor dem Eingriff bekommt Patient Bäri Sauerstoff von Luka. Das Lernziel im Teddykrank­enhaus: Kinder sollen ihre Angst vor der Klinik verlieren.

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