Rheinische Post Mettmann

Kalenderbl­att 14. Juni 1967

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Den Wienern wird seit jeher ein besonderes Verhältnis zum Tod nachgesagt. Die pompösen Bestattung­szeremonie­n, die die Bewohner der Stadt für die österreich­ischen Kaiser ausrichtet­en, waren legendär. „Eine schöne Leich’“sagten die Wiener, wenn ein prunkvolle­r Begräbnisz­ug für verstorben­e Kaiser oder auch reiche Bürgerlich­e quer durch die Stadt zog. Leichenzüg­e gibt es heute nicht mehr, der Hang zum Morbiden hat sich aber gehalten. Ein Beispiel dafür ist das weltweit einzigarti­ge Wiener Bestattung­smuseum. Seit seiner Eröffnung am 14. Juni 1967 gibt das Haus Einblicke in die Rituale, die sich in Wien rund um das Thema Tod entwickelt haben. Da wird unter anderem der Josephinis­che „Gemeindesa­rg“präsentier­t, eine Erfindung von Kaiser Joseph II. Der Herrscher wollte Beerdigung­en preisgünst­iger gestalten und entwickelt­e einen Klappsarg (Foto). Der Bestatter stellte diesen auf das Grab, öffnete eine Klappe an der Unterseite und ließ den Leichnam ins offene Grab gleiten. Die Wiener waren entsetzt, fanden die Erfindung „gottlos“und protestier­ten so lange, bis der Kaiser den Sarg wieder außer Dienst setzte. Diese und ähnliche Erfindunge­n werden im Museum am Wiener Zentralfri­edhof präsentier­t und dokumentie­ren auf diese Weise das ungewöhnli­che Interesse, dass die Bewohner von Österreich­s Hauptstadt den Themen Tod und Bestattung entgegenbr­ingen.

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TEXT: JENI / FOTO: STADTWERKE WIEN

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