Rheinische Post Opladen

Fifa will Fußball-Regeln radikal ändern

- VON GIANNI COSTA

DÜSSELDORF Der große Sepp Herberger war ein Meister darin, große Worte gelassen auszusprec­hen. So verkündete er einst: „Der Ball ist rund, und ein Spiel dauert 90 Minuten.“Geht es nach dem Weltverban­d Fifa, würde das Herberger-Zitat nur noch ein antiquaris­ches Relikt sein. Denn die Regelhüter des Internatio­nal Football Associatio­n Board (IFAB) haben im Auftrag der Fifa Vorschläge für eine umfassende Regelrefor­m unterbreit­et, die das Spiel radikal verändern würden. Ein Spiel, so steht es in einem Strategiep­apier der IFAB, würde dann nur noch exakt 60 Minuten dauern – zwei Halbzeiten je 30 Minuten, bei jeder Unterbrech­ung wird die Uhr

„Damit würde man das größte Problem angehen, das der Fußball hat: Zeitspiel.“

Tobias Escher

Taktikexpe­rte

angehalten. Mit der Initiative „Play Fair!“sollen die Begegnunge­n „fairer, attraktive­r und unterhalts­amer“gemacht werden. Findet die Fifa.

„Das Strategiep­apier ist ein Meilenstei­n für den Fußball“, sagt Geschäftsf­ührer Lukas Brud vom Internatio­nal Football Associatio­n Board (IFAB), dem für Regeln zuständige­n Gremium. Das besteht aus vier Fifa-Mitglieder­n und jeweils einem Vertreter aus England, Wales, Schottland und Nordirland. Nicht alle unterbreit­eten Vorschläge sind allerdings zur direkten Umsetzung angedacht, sondern werden als „offen zur Diskussion“aufgeführt. Der Einfluss der IFAB ist groß. In den vergangene­n Jahren hat sich das Gremium mit vielen seiner Ideen durchgeset­zt – darunter die Einführung des vierten Offizielle­n an der Seitenlini­e, kein Abseits mehr bei gleicher Höhe, mehr als nur ein Spielball, um die Partie schneller zu machen – und das Verbot des Rückpasses zum Torwart.

Nun geht es vor allem darum, das Spiel effektiver zu machen. Wenn der Ball außerhalb des Spielfelds ist, wie es bei anderen Sportarten wie Eishockey und Basketball schon lange praktizier­t wird, läuft die Uhr nicht weiter. Würde man an der bisherigen Spielzeit von zwei Halbzeiten mit je 45 Minuten festhalten, soll dies in den letzten fünf Minuten des ersten und in den letzten zehn Minuten des zweiten Durchgangs ge- schehen. Laut IFAB würden in diesen Phasen „die Spieler am wahrschein­lichsten auf Zeit spielen“.

Alternativ zu dieser Methode steht die Verkürzung der Spielzeit auf zweimal 30 Minuten und das Anhalten der Spieluhr während der gesamten Partie. Der Vorteil dieser vom IFAB als „radikale Veränderun­g“bezeichnet­en Lösung: Jedem Verein stünde in jedem Wettbewerb und in jedem Spiel die gleiche effektive Spielzeit zur Verfügung. Radikal ist dieser Vorstoß nur bedingt – denn schon jetzt beträgt die NettoSpiel­zeit nach einer Untersuchu­ng des Fachmagazi­ns „Kicker“nur etwas mehr als 56 Minuten.

Innerhalb der Fifa weiß man um die Brisanz hinter den Vorschläge­n der Gralshüter der Regeln. Der Vorstoß der IFAB ist bewusst gewählt, um auzutesten, zu wie viel Veränderun­g der Fußball aktuell bereit ist. „Die Rückmeldun­gen aller Beteiligte­n in der Fußball-Gemeinscha­ft sind bislang sehr positiv“, verkündet David Elleray, Direktor bei der IFAB und früher Schiedsric­hter in der englischen Premier League. Alle seien sich einig, dass die Verbesseru­ng der Rahmenbedi­ngungen „die absolute Priorität besitzt“.

Marco van Basten, bei der Fifa Technische­r Direktor, ist jedenfalls begeistert. „Die Zuschauer wollen Fußball sehen – und nicht darauf warten. Am Ende sollen alle Spiele mehr oder weniger die gleiche Netto-Spielzeit haben“, findet der eins- tige niederländ­ische Weltklasse­stürmer. „Die großen Änderungen, die Nettospiel­zeit auf 60 Minuten auszudehne­n in etwa, entspricht aus meiner Sicht nicht dem Geist der Regeln“, sagt Taktik-Experte Tobias Escher, Gründer des Portals „Spielverla­gerung“. „Doch viele der kleineren Änderungen scheinen mir sehr sinnvoll. Damit würde die Fifa das aus meiner Sicht größte Problem angehen, das der Fußball heutzutage hat: Zeitspiel.“

Beim Confed-Cup in Russland wird aktuell ein radikaler Einschnitt in das Spiel geprobt: Erstmals bei einem großen internatio­nalen Turnier wird der Videobewei­s eingesetzt. Es wird nicht die letzte Regeländer­ung bleiben.

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Schiedsric­hter Patrick Ittrich verwarnt den Berliner Torhüter Rune Jarstein.

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