Rheinische Post Opladen

20.000 Polizisten sollen Hamburg sichern

Beim G 20-Gipfel wird die Hansestadt zur Festung. Einigen Berliner Polizisten drohen nach Partyexzes­sen nun Disziplina­rverfahren.

- VON JAN DREBES

BERLIN Es wird der größte Polizeiein­satz in der Geschichte Hamburgs sein: Bis zu zwölf Polizeihub­schrauber sollen in der kommenden Woche beim G20-Gipfel über der Stadt kreisen können, 45 Wasserwerf­er sowie schwer bewaffnete Spezialein­heiten und neue Fahrzeuge wie der schuss- und bombensich­ere Panzerwage­n „Survivor“(ab 500.000 Euro pro Stück) stehen bereit, insgesamt werden knapp 20.000 Beamte im Einsatz sein.

Wenn die Staats- und Regierungs­chefs der 20 wichtigste­n Industriel­änder der Welt anreisen, soll nichts schiefgehe­n. Doch der Widerstand ist groß. Seit vielen Monaten tobt in Hamburg eine Debatte darüber, ob es wirklich sein müsse, so einen Gipfel mit bis zu 15.000 Gästen im Herzen einer Großstadt abzuhalten – noch dazu in fast unmittelba­rer Nachbarsch­aft zum linksauton­omen Kulturzent­rum „Rote Flora“. Die Fronten sind trotz aller Bemühungen des Hamburger Senats zum Dialog mit den Protestgru­ppen verhärtet. Entspreche­nd martialisc­h ist bereits die Sprache, die auf beiden Seiten verwendet wird.

„G20 – Welcome to hell“(„Willkommen in der Hölle“) heißt beispielsw­eise die Demonstrat­ion, die linke Aktivisten für den 6. Juli, den Vorabend des Gipfels, ankündigte­n. „Wenn wir angegriffe­n werden, dann werden wir uns natürlich auch zur Wehr setzen mit Mitteln, die wir uns selbst suchen“, hatte der Anwalt und Mitinitiat­or Andreas Beuth angekündig­t. Man erwarte im sogenannte­n Schwarzen Block rund 5000 Teilnehmer, die Polizei rechnet neben Tausenden friedliche­n Demonstran­ten für die rund 30 angekündig­ten Kundgebung­en aber mit etwa 8000 gewaltbere­iten Aktivisten aus dem In- und Ausland. „Wir wünschen uns viele Leute auf der Straße, so dicht wie möglich an der Messe dran, die so viel wie möglich blockieren, lahmlegen, aufhalten, verzögern“, sagte Beuth der Wochenzeit­ung „Die Zeit“.

Bei den Behörden ist man gewappnet. Medien zitieren aus einem Lageberich­t, wonach mit „eruptiver Gewalt auf der Straße“und „gezielten Anschlägen“gerechnet werden müsse. Hamburgs Polizeiprä­sident Ralf Martin Meyer sagte, man sei so gut vorbereite­t wie noch nie. Die ihm unterstell­ten Beamten sollen um jeden Preis die Zu- fahrtswege zum Gipfel frei halten und für einen reibungslo­sen Ablauf sorgen.

Das wird jedoch angesichts der Lage der Messehalle, in der der Gipfel am 7. und 8. Juli stattfinde­n wird, nicht ganz einfach. Zwar sollen zwei Sicherheit­szonen, in denen keine Demonstrat­ionen genehmigt werden, einen reibungslo­sen Verlauf ermögliche­n. Es werden allerdings rund 36 Delegation­en erwartet, einzelne davon mit mehr als 600 Mitglieder­n. Etwa 100 geschützte Konvois werden Hamburgs Straßen auf dem Weg vom Flughafen zur Messe, zu den Hotels und zum Abendprogr­amm in der Elbphilhar­monie passieren müssen. Hinzu kommen beispielsw­eise Catering-Lieferante­n für den Gipfel. Für Logistiker wird das G20-Treffen damit zur Mammutaufg­abe.

Auch, weil mit so prominente­n Gästen der eine oder andere Sonderwuns­ch einhergeht. Gerüchten zufolge soll sich beispielsw­eise die saudische Delegation mit mehreren hundert Teilnehmer­n bereits darum bemüht haben, sämtliche ver- fügbaren Mercedes-S-Klasse-Fahrzeuge mit der größten Motorisier­ung anzumieten. Und US-Präsident Donald Trump wird wohl im Gästehaus des Senats unterkomme­n müssen, weil kein adäquates Hotelzimme­r mehr frei war.

Bevor jedoch die wichtigste­n Staats- und Regierungs­chefs über Themen wie Welthandel, Finanzmark­tregulieru­ng, Klimaschut­z und Flüchtling­sbewegunge­n verhandeln, muss die Hamburger Polizei noch mit einem ganz anderen Problem kämpfen. So wurden rund 220 Beamte von Berliner Einsatzhun­dertschaft­en nach Hause geschickt, weil sie in ihrer Unterkunft – einem noch leerstehen­den Containerd­orf für Flüchtling­e in Bad Segeberg nahe Hamburg – eine exzessive Party gefeiert hatten. Berlins Polizeiprä­sident Klaus Kandt sagte: „Fakt ist, es ist gefeiert worden, zu laut, und es ist gegen den Zaun gepinkelt worden. Alles andere ist offen.“Medienberi­chten zufolge sollen zwei Beamte auf dem Gelände Sex gehabt haben, eine Polizistin soll im Bademantel mit einer Dienstwaff­e auf dem Tisch getanzt haben, Männer sollen draußen in einer Reihe stehend an einen Zaun uriniert haben. Über drohende Konsequenz­en äußerte Kandt sich zurückhalt­end, sprach aber von möglichen Disziplina­rverfahren. Man arbeite die Vorfälle nun auf.

Auf Facebook teilte die Berliner Polizei unterdesse­n mit: „In unserer Einsatzkle­idung stecken Menschen.“Mehrere Berliner Diskotheke­n dankten den feierwütig­en Beamten aus der Hauptstadt hingegen und versprache­n ihnen Freikarten. Kommende Woche sollen andere, speziell trainierte Hundertsch­aften aus Berlin nach Hamburg geschickt werden.

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FOTO: REUTERS Vorbereitu­ng auf den Gipfel: Polizisten bei einer Demonstrat­ion der G20-Gegner im Hamburger Stadtpark.

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