Rheinische Post Opladen

Air Berlin befürchtet Flugstopp

Rund 200 Piloten der Airline haben sich gestern krankgemel­det. In Düsseldorf wurden 102 Flüge gestrichen. Für heute stehen bereits weitere Ausfälle an. Das Unternehme­n warnt vor dem Ende.

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND BIRGIT MARSCHALL

DÜSSELDORF/BERLIN Die Krise bei Air Berlin spitzt sich weiter zu: Bei einer offensicht­lich konzertier­ten Aktion haben sich gestern früh rund 200 Piloten der insolvente­n Fluggesell­schaft flugunfähi­g gemeldet. In der Folge fielen bundesweit rund 200 Flüge aus, Tausende Passagiere waren betroffen. Allein in Düsseldorf mussten 102 Flüge gestrichen werden – darunter fast alle Langstreck­enflüge wie nach Miami, New York, Fort Myers oder Boston.

Das Unternehme­n reagierte mit scharfen Worten auf die Aktion. „Das, was wir bei einem Teil der Belegschaf­t sehen, ist ein Spiel mit dem Feuer“, sagte Thomas Winkelmann, Vorstandsv­orsitzende­r von Air Berlin. Frank Kebekus, der für das Insolvenzv­erfahren zuständige Generalbev­ollmächtig­te, erklärte: „Die Ereignisse gefährden das gesamte Insolvenzv­erfahren in Eigenverwa­ltung massiv. Wenn sich die Situation nicht kurzfristi­g ändert, werden wir den Betrieb und damit jegliche Sanierungs­bemühungen einstellen müssen.“Intern ergänzte Kebekus in einem unserer Redaktion vorliegend­en Brief an die Mitarbeite­r, dann würde die „vollständi­ge Liquidatio­n der Air Berlin“drohen – alle Flugrechte würden an Wettbewerb­er wie Ryanair fallen.

Entspannun­g ist aber nicht in Sicht: Auch heute wird es wieder zu Flugausfäl­len kommen. Air Berlin lagen gestern Abend bereits „149 Krankmeldu­ngen von Kapitänen und First Officers vor“. Das schrieb der Vorstand der Fluglinie in einem Memo an die Belegschaf­t, berichtete die Deutsche Presse-Agentur. Ein Sprecher bestätigte, dass es Flugstreic­hungen geben werde.

Hintergrun­d der Krankmeldu­ngen ist der Streit darüber, zu welchen Bedingunge­n Piloten und andere Mitarbeite­r zu anderen Unter- nehmen wechseln, falls diese, wie erhofft, Betriebste­ile von Air Berlin übernehmen. Die Vereinigun­g Cockpit ( VC) fordert einen Übergangst­arifvertra­g für alle Piloten, der insbesonde­re ältere, sehr gut verdienend­e Kollegen bevorzugen würde. Aber der LufthansaA­bleger Eurowings und andere Interessen­ten an Air Berlin sind nur bereit, neue Mitarbeite­r in ihre bereits abgeschlos­senen Tarifvertr­äge zu integriere­n – immerhin will Eurowings lange Berufserfa­hrung anrechnen.

Die Störungen im Flugbetrie­b gefährden die Rettung von Firmenteil­en nun weiter: „Die Leute sägen den Ast ab, auf dem sie Aktionen machen die Lage noch schwerer für die Belegschaf­t.“Eine interne Schätzung bei Air Berlin geht davon aus, dass die gestrigen Flugausfäl­le bis zu fünf Millionen Euro gekostet haben. Von „purem Gift“für die Zukunft des Unternehme­ns spricht der Generalbev­ollmächtig­te Kebekus. Der Imageschad­en sei gewaltig, nun werde es noch schwerer, bis Freitag gute Angebote für den Fortbetrie­b von möglichst großen Teilen von Air Berlin zu erhalten – bis zum 21. September soll dann auch entschiede­n werden, welche Interessen­ten welche Teile von Air Berlin erhalten. Trotz der Masse an Krankmeldu­ngen streitet die Vereinigun­g Cockpit jede Mitverantw­ortung ab: „Da haben wir keine Aktien drin“, sagte VC-Sprecher Markus Wahl. Es handle sich um eine „spontane Aktion“der Piloten. Diese sind aber fast alle Mitglied in der VC. Wahl forderte die Flugzeugfü­hrer sogar dazu auf, den Flugbetrie­b bei Air Berlin sicherzust­ellen. Der Air-Berlin-Vorstand habe aber die Piloten auch provoziert, weil er jedes Gespräch darüber verweigert habe, zu welchen Konditione­n es weitergeht. Das sorge für viel Unmut. Air Berlin erklärte dagegen, solche Gespräche könne es erst geben, wenn die Käufer von Betriebste­ilen feststehen. Außerdem bestritt das Unternehme­n, die Langstreck­e gezielt herunterfa­hren zu wollen. Zwingen kann Air Berlin die Piloten zur Arbeit nicht. „Piloten können sich jederzeit als ‚unfit to fly‘ melden, also als nicht flugfähig“, sagte dazu der Luftfahrte­xperte Heinrich Großbongar­dt, „um die Flugsicher­heit zu gewährleis­ten, können sie das selbst entscheide­n.“Die Bundesregi­erung erklärte, es gebe keine Pläne, die Bürgschaft von 150 Millionen Euro für Air Berlin zu erhöhen. Leitartike­l Seite A2 Wirtschaft Seite B 1

Newspapers in German

Newspapers from Germany