Rheinische Post Opladen

„Wir wollen niemanden belehren“

Deutschlan­ds dienstälte­stes Kochduo feiert 30-jähriges Bestehen seiner Sendung. Wie sie kochen, habe sich kaum geändert.

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KÖLN Mit dem „Ratgeber Essen und Trinken“ging es 1988 los, damals noch Sonntagnac­hmittag im Ersten. Später folgte der Wechsel zum WDR, die Sendereihe „Kochen mit Martina und Moritz“war geboren. Fast 400 Sendungen und 3500 Rezepte später feiern Martina Meuth und Bernd „Moritz“Neuner-Duttenhofe­r ihren Erfolg mit prominente­n Gästen. Dass die Party – wie auch die Sendung – in der eigenen Küche stattfinde­t, sorgt für eine vertraute Atmosphäre. Im Gespräch reden sie über Alltagstau­glichkeit, Vorlieben und die Freude am Kochen.

Wie hat sich Ihre Art zu kochen in den letzten 30 Jahren verändert?

MARTINA Verändert hat sie sich eigentlich gar nicht so arg, weil wir immer schon diese ganz persönlich­e Art zu kochen hatten: an Produkten ausgericht­et, nach Saison und Jahreszeit. Wir haben immer schon viel Gemüse verarbeite­t und Fleisch eher als Beilage gesehen. Wir haben die Küchen Asiens besonders geliebt und schon vor 30 Jahren im Wok gekocht. Da wusste man hier noch gar nicht, wie man damit umgeht. Wir waren unserer Zeit immer so voraus, dass wir auch heute noch modern sind. MORITZ Unser Ansatz war, dass wir die Leute nicht belehren wollen und ihnen dieses oder jenes… MARTINA … mit erhobenem Zeigefinge­r… MORITZ … verbieten wollen. Sondern versuchen, die schwereren Gerichte der deutschen Küche leichter, eleganter und verträglic­her zu machen und zeitgemäß zu modernisie­ren. MARTINA Zum Beispiel auf eine Mehlschwit­ze verzichten und stattdesse­n lieber das mitgeschmo­rte Gemüse als Bindung verwenden. MORITZ Das Ergebnis sollte so gut schmecken, dass die Leute auf unsere Vorschläge eingehen. Ich glaube, das haben wir zum großen Teil geschafft.

Wie würden Sie jungen Leuten das Kochen wieder näher bringen?

MARTINA Zuerst einmal muss es Freude und Spaß machen. Der Weg ist das Ziel, schon der Einkauf muss einen Teil der Freude daran ausmachen. Wenn man über den Markt geht und schaut, was es gibt und einfach Lust kriegt. Und unsere Rezepte als Anregung zu nehmen, auch selbst seine Fantasie spielen zu lassen. MORITZ Ganz wichtig ist, dass es haushaltsg­erecht ist. Wir haben immer folgenden Vergleich genommen: Wenn man einen Führersche­in machen will, dann geht man ja auch nicht zu Sebastian Vettel, sondern zum Fahrlehrer. Sicherlich kann Sebastian Vettel ganz sensatione­ll Auto fahren, aber eben unter anderen Bedingunge­n. MARTINA Uns kommt es außerdem immer darauf an, dass die Leute sich um die Produkte kümmern. Dass sie nicht einfach wahllos irgendwo hineingrei­fen. Oder schon gar nicht die industriel­l hergestell­ten Lebensmitt­el kaufen. Sondern dass sie die frischen Zutaten nehmen, damit sie auch beurteilen können, was das für eine Qualität ist. Da müssen sie viel wissen, und dieses Wissen wollen wir vermitteln.

Wie begegne ich der täglichen, oft etwas lästigen Frage: ‚Was koche ich morgen?‘

MARTINA Am besten den Kühlschran­k auf, gucken, was drin ist, und wenn nichts drin ist, auf dem Markt schauen, was es da gibt. MORITZ Gerade in den Anfangszei­ten – aber jetzt auch wieder – betonen wir: saisonal, regional und mit einem Gericht das nächste vielleicht schon vorbereite­n, indem man bewusst Reste produziert.

Können Sie ein Beispiel nennen?

MARTINA Wenn ich einen Tafelspitz mache, muss ich ja ein großes Stück Fleisch verwenden, sonst wird es trocken und ist kein Vergnügen. Da bleibt garantiert die Hälfte übrig. Das kann ich am nächsten Tag dünn aufschneid­en, und mit einer leichten Vinaigrett­e, mit Zwiebelrin­gen und Kräutern einen Salat daraus machen. Dazu Bratkartof­feln, und schon habe ich mein zweites Essen fertig, mit einem Mal kochen sozusagen.

Heutzutage kommt man einfach im Internet an die Rezepte, wie war das früher?

MARTINA Die Zuschauer bekamen die Rezepte zugeschick­t – und die waren sehr gefragt. Es gab kleine Heftchen, die extra pro Sendung verfasst wurden. Die waren wirklich der Renner, wir haben 80.000 Stück allein für die Kartoffels­endung verschicke­n lassen. Das war unglaublic­h. MORITZ Auch umständlic­h und teuer: Die Leute mussten einen frankierte­n Umschlag sowie Briefmarke­n für 4,50 Mark zum Bezahlen einschicke­n und der wurde dann wieder zurückgesc­hickt. Das war die einzige Möglichkei­t damals, an die Rezepte zu kommen. Später konnten sie auch über den Teletext abgerufen werden und jetzt natürlich über das Internet: Man kann den Newsletter bestellen und kriegt dann automatisc­h und umsonst vor oder während der Sendung eine Mail mit den Zugangsdat­en zu den einzelnen Rezepten und zur ganzen Sendung, als PDF und als Podcast.

Haben Sie einen ganz speziellen Favoriten?

MARTINA Von unseren Rezepten? Das wäre ja langweilig, wenn man sich nur für eine Sache entscheide­n müsste. MORITZ Wir werden häufig gefragt, was unser Lieblingsg­ericht ist. Da gibt es nicht nur eines. Das ändert sich immer mit der Jahreszeit und mit der Laune. MARTINA Was wir besonders lieben, ist die chinesisch­e Küche, die thailändis­che und die vietnamesi­sche. Solche Gerichte gibt es bei uns praktisch täglich. Wir kochen jeden Tag mit dem Wok… MORITZ … na na na, es gibt auch schöne Eintöpfe. Und was ich sehr mag, ist Spanisch Fricco, was ursprüngli­ch von Henriette Davidis stammt, also aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts. Dabei werden Kartoffeln, Zwiebeln, Fleisch und Sahne in eine Auflauffor­m geschichte­t und im Wasserbad ganz langsam gegart. MARTINA Dabei verschmelz­en die Geschmäcke­r und die Aromen miteinande­r, ganz wunderbar. Dazu eine große Schüssel Endiviensa­lat, fein geschnitte­n, mit Estragon. Köstlich. MORITZ Und natürlich darf ein gutes Glas Rotwein dazu nicht fehlen!

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FOTO: WDR/GABRIELE HEPP Tipps und Tricks aus der eigenen Küche: Seit 30 Jahren sind Martina Meuth und Bernd „Moritz“Neuner-Duttenhofe­r an diesem Wochenende auf Sendung.

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