Rheinische Post Opladen

Norbert Blüm: „Sind wir nicht klüger geworden?“

Der ehemalige Bundesmini­ster erzählte in Opladen aus einem Leben. Der 82-Jährige warnte davor, wieder in alte Irrlehren zu verfallen.

- VON TOBIAS BRÜCKER

OPLADEN Es war das Katholisch­e Bildungswe­rk, das in Kooperatio­n mit den Opladener Gesprächen den Besuch von Norbert Blüm organisier­t hatte. Ein Erfolg, denn die Menschen hörten sehr aufmerksam den Worten des einstigen Bundesmini­sters zu. „Er kann jungen Menschen ein Vorbild sein“, betonte Bildungswe­rkchefin Sabine Höring. Und zwar ein Vorbild darin, einen klaren Standpunkt zu vertreten. Mittlerwei­le schwämmen viele Menschen nur mit dem Strom, ohne eine klare Haltung zu haben, meint Höring. Sie selber hatte Blüm mit dem Auto aus Bonn abgeholt. Das Gespräch sei toll und angenehm gewesen. „Er ist halt authentisc­h“, schwärmte sie.

Blüm gilt als ein Mann mit viel Humor, doch an diesem Abend war der Ton ernst. Er erzählte von Kriegserle­bnissen als Kind, seinen Begegnunge­n mit Landesführ­ern und seinem Onkel Adolf. „Ausgerechn­et Adolf“, betonte er. Seinen Onkel, der den Kommunismu­s verehrte, liebte Blüm trotz politische­r Differenze­n sehr. Sein neues Buch sei eine Art Brief an seine Enkel, erklärte der CDU-Politiker. Als älterer Mensch sehe er den Sinn des Alters darin, wichtige Erfahrunge­n weiterzuge­ben.

Und so beschreibt er traumatisc­he Erlebnisse seiner Jugend, erzählt plastisch, wie er als Kind in den Luftschutz­keller floh, sich dort wie eingekerke­rt vorkam – und eben jenes Haus dann getroffen wurde und in Brand geriet. Seine Familie floh aus den Flammen, 30 Meter auf die andere Straßensei­te, durch den Bombenhage­l. „Diese 30 Meter“, sagte er, „war die längste Wanderung meines Lebens.“Es herrschte Stille im Saal. „Krieg, nie wieder Krieg“, schob Blüm mit Nachdruck nach. Heute scheine der Nationalis­mus einmal mehr die größte Gefahr zu sein. „Sind wir gar nicht klüger geworden?“, fragte Blüm. Es brauche ein Europa, das in seiner Einheit funktionie­re, denn die großen Fragen ließen sich nie national beantworte­n – wie zum Beispiel die der Flüchtling­e.

Die kommende Generation stehe vor einer großen Probe: US-Präsident Trump und das russische Staatsober­haupt Putin seien unberechen­bar. Ungarns Präsident Viktor Orbán glaube, den Strom der Flüchtling­e mit einem Zaun aufhalten zu können. Man müsse die Ursachen der Flucht bekämpfen. „Unmöglich ist das nicht – wenn wir nur wollen“, betonte Blüm. Zu allererst müssten die Waffenhänd­ler bekämpft werden. „Das ist doch kein Kleingerät“, sagte der ehemalige Politiker.

In dieser Form und mit viel Energie ging es weiter, gut 90 Minuten lang. Und viel Applaus für den Gast sollte folgen.

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