Rheinische Post Opladen

Was die Mietpreisb­remse bewirkt hat

Vielerorts in Deutschlan­d steigen die Mieten rasant – trotz der 2015 beschlosse­nen Mietpreisb­remse. Viele sehen das Gesetz daher als gescheiter­t an. Ganz so klar ist die Lage aber nicht.

- VON ALEXANDER STURM

Sie sollte sprunghaft­e Mietanstie­ge in gefragten Städten vermeiden: Am 5. März 2015 beschloss der Bundestag die Mietpreisb­remse, im folgenden Juni trat sie in Kraft. Nun wollen SPD und Union die Mietpreisb­remse in einer großen Koalition verschärfe­n. Zugleich verhandelt das Bundesverf­assungsger­icht über die Rechtmäßig­keit des Gesetzes. Ist es eine Fehlkonstr­uktion? Wie haben sich die Mieten seither entwickelt? Der Mietanstie­g hat sich eher noch beschleuni­gt. 2017 kletterten die Mieten im Bundesschn­itt mit plus 4,3 Prozent noch stärker als im Vorjahr, zeigen Zahlen des Zentralen Immobilien-Ausschusse­s (ZIA). Bei bestehende­n Wohnungen in einigen Großstädte­n stiegen die Mieten laut Bundesbank 2017 sogar mehr als neun Prozent. Ist die Mietpreisb­remse gescheiter­t? Das wird oft behauptet, dabei gibt es nur wenige umfassende Studien. Ein Jahr nach Einführung der Mietpreisb­remse schrieb das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) etwa, dass „die Entwicklun­g der Mieten von der Regulierun­g nahezu unbeeinfus­st blieb“. Die Forscher verglichen Immobilien­anzeigen aus benachbart­en regulierte­n und unregulier­ten Postleitza­hlbezirken. Geteilt fällt auch eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) von 2016 aus. Anhand von 117.000 Wohnungsan­zeigen aus Berlin stellten sie fest, dass die meisten Angebote dort die ortsüblich­e Vergleichs­miete trotz Mietpreisb­remse um mehr als zehn Prozent überschrit­ten. Eine tiefere Analyse ergab aber, dass das Gesetz „geringfügi­g“bremse. Was sagen neuere Untersuchu­ngen? Das DIW erklärte jüngst in einer Studie auf Basis von über 200.000 Inseraten, dass sich der Mietanstie­g mit dem Gesetz „insgesamt nicht spürbar verlangsam­t hat“. In einigen Gegenden, in denen die Mieten zuvor stark stiegen, wirke die Bremse aber „sehr wohl und dämpfe den Anstieg dauerhaft“. Das Fazit: „Die Mietpreisb­remse ist besser als ihr Ruf.“ Warum stiegen die Mieten trotz Bremse weiter? Weil viele Wohnungen fehlen. Die starke Wirtschaft und die Niedrigzin­sen treiben die Immobilien­nachfrage und so die Mieten. Bis zu 400.000 neue Wohnungen pro Jahr sind laut Branche und Politik nötig, um den Bedarf zu decken. 2016 entstanden aber nur 278.000. „Die Mietpreisb­remse kann allenfalls die Symptome des Mietpreisa­nstiegs lindern“, sagt Gerd Landsberg, Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebu­nds. „Gegen die Wohnungsno­t ist mit ordnungspo­litischen Mitteln wenig auszuricht­en.“ Wie soll es nun weitergehe­n? SPD und Union wollen laut Koalitions­vertrag Vermieter verpflicht­en, Angaben über die vorherige Miete zu machen. Das sei nur ein erster Schritt, meint der Mieterbund. Nötig sei auch eine breitere Basis für die ortsüblich­e Vergleichs­miete – statt vier Jahre mindestes zehn. Zudem fordert Bundesdire­ktor Lukas Siebenkott­en Sanktionen für Vermieter, die die Mietpreisb­remse missachten. Warum urteilt das Bundesverf­assungsger­icht über die Mietpreisb­remse? Vermieter würden ungleich behandelt, da die ortsüblich­e Vergleichs­miete in Städten verschiede­n ist, meint das Berliner Landgerich­t. Vermieter können in München mehr verlangen als in Berlin. Nun muss das Bundesverf­assungsger­icht entscheide­n. Was könnte die Mieten künftig bremsen? Es müssten viele Sozialwohn­ungen entstehen und Bauland schneller ausgewiese­n werden, sagt Landsberg. Zudem sei Bauen wegen der vielen Energievor­schriften zu teuer und mit 16 verschiede­nen Landesbauo­rdnungen gerade für serielles Bauen zu komplex. Sind weitere steigende Mieten zu erwarten? Ja, sie könnten aber weniger stark steigen, glaubt der Zentrale Immobilien-Ausschuss. Es zögen weniger Menschen nach Deutschlan­d, der Neubau lege zu und Immobilien­kredite dürften nicht billiger werden. „Wir könnten 2018 an dem Punkt kommen, wo Angebot und Nachfrage ungefähr im Gleichschr­itt wachsen“, sagte Harald Simons vom Institut Empirica. Die Prognose ist aber gewagt: Seit Monaten sinkt die Zahl der Baugenehmi­gungen. Entwarnung für Mieter scheint zu früh. Immobilien&Geld

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FOTO: DPA Gerade dort, wo der Wohnraum knapp ist, sind für manche die Mieten nicht mehr zu bezahlen.

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