Rheinische Post Ratingen

NRW will aggressive Steuertric­ks stoppen

Für den Fall eines SPD-Wahlsieges im Bund legt NRW-Finanzmini­ster Norbert Walter-Borjans (SPD) Eckpunkte vor. Er berichtet, dass 2016 in NRW 398 Jahre Haft wegen Steuerbetr­ug verhängt wurden. Es gab 4483 Steuer-Strafverfa­hren.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF NRW-Finanzmini­ster Norbert Walter-Borjans drängt auf einen viel konsequent­eren Kampf gegen Steuerverm­eidung, falls die SPD angeführt vom neuen Parteichef Martin Schulz die nächste Bundestags­wahl im Herbst gewinnt. Er stünde darum auch in engem Kontakt mit der Bundes-SPD und Schulz. „Der Einsatz gegen Steuertric­ks steht auch bei Martin Schulz und der SPD ganz oben auf der Prioritäte­nliste“, sagte Walter-Borjans unserer Redaktion. „Wir alle wissen: Die Steuerpoli­tik des Bundes hat am Ende weitreiche­nde Folgen für die Finanzlage des Landes und der Städte und Gemeinden.“

NRW drängt schon jetzt im Bundesrat darauf, dass multinatio­nale Konzerne wie Ikea oder Starbucks interne Gebühren für Markenrech­te nur noch sehr eingeschrä­nkt oder gar nicht mehr nutzen dürfen, um ihre hiesigen Gewinne steuermind­ernd herunterzu­rechnen. „Wir können diese Art der Steuergest­altung zu Lasten der Allgemeinh­eit nicht mehr hinnehmen“, sagte Walter-Borjans, „Gewinne müssen da versteuert werden, wo sie entstehen und dürfen nicht mehr künstlich ins Ausland verlagert werden.“

Als weiteren Schritt solle es innerhalb der EU gemeinsame Steuerprüf­ungen gegenüber internatio­nalen Konzernen geben, sagte der Minister. Eine Art zentraler Steuerfahn­dungsbehör­de für ganz Europa oder Deutschlan­d lehne er aber ab. „Es ist gut, wenn die NRW-Steuerfahn­dung mit ihrem hohen Sachversta­nd weiterhin eine starke Rolle spielt. Hätten wir dagegen vor weni- gen Jahren eine zentralisi­erte Steuerfahn­dung in Deutschlan­d gehabt, wären sicher nicht so viele SteuerCDs gekauft worden wie mittlerwei­le elf Stück durch NRW.“

Als weiteren Schritt solle Deutschlan­d einen „automatisc­hen Austausch“von steuerlich wichtigen Daten innerhalb der EU und mit anderen Staaten durchsetze­n, fordert der Volkswirt. Dann wäre auch der weitere Ankauf von Steuer-CDs nicht mehr nötig. Damit Unternehme­n fällige Abgaben wirklich zahlen, müssten die Steuerprüf­er außerdem in ganz Deutschlan­d nach „einheitlic­hen Standards“überprüfen, ob Briefkaste­nfirmen zum Steuerhint­erziehen genutzt werden – die NRW-Steuerfahn­der haben traditione­ll den Verdacht, dass die Kollegen in Bayern lascher sind.

Welche Bilanz die NRW-Finanzämte­r für 2016 ziehen, erläuterte der Minister gestern bei einer Pressekonf­erenz. Die 650 Steuerfahn­der hätten zusätzlich­e Einnahmen von 1,02 Milliarden Euro erzielt, nur minimal mehr als 2015, aber doppelt so viel wie 2010.

Es habe insgesamt 4483 Strafverfa­hren wegen Steuerbetr­ug gegeben. Als Ergebnis wurden Haftstrafe­n in Höhe von 398 Jahren verhängt – offen ließ der Familienva­ter, wie oft es Bewährung gab. „Es geht hier nicht um Steuersünd­er, sondern um Straftaten.“

Betriebspr­üfungen bei Unternehme­n hätten 4,1 Milliarden Euro gebracht, etwas mehr als zwei Milliarde Euro weniger als in 2015. Grund für den Unterschie­d sei, dass bei vielen Konzernen die Steuerlast von Jahr zu Jahr sehr schwanke. Wie objektiv die Betriebspr­üfer arbeiten, zeigte ein Beispiel, von dem der Köl- ner Minister fast schon amüsiert erzählte: Ein Konzern habe eine Umsatzsteu­ererstattu­ng von 351 Millionen Euro erhalten. „Auch bei Steuern gilt: Gerechtigk­eit ist keine Einbahnstr­aße“, sagte er.

Walter-Borjans will darauf drängen, dass von ihm so bezeichnet­e „Bargeldbra­nchen“besser kontrollie­rt werden. In der Gastronomi­e und bei Taxis würden bis zu 30 Prozent der Einnahmen nicht versteuert, sagte er. Um gegenzuhal­ten, sollten endlich Kassiersys­teme vorgeschri­eben werden, die Manipulier­en von Einnahmen nicht zulassen. „Wir brauchen hier eine bundesweit­e Regelung.“

Die Zahl der Selbstanze­igen im Zusammenha­ng mit Steuer-CDs stürzte in 2016 auf nur noch 641 ab. 2015 lag sie noch bei 3071, 2014 bei 7551 Fällen. Den Rückgang erklärt sich der Minister auch damit, viele Steuerzahl­er hätten nun eben klaren Tisch gemacht und seien insgesamt steuerehrl­icher.

„Gewinne müssen versteuert werden, wo sie entstehen. Sie dürfen nicht verlagert werden“

Norbert Walter-Borjans NRW-Finanzmini­ster

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FOTO: DPA NRW-Finanzmini­ster Norbert WalterBorj­ans (SPD).

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