Rheinische Post Ratingen

Macron bringt erste Reform auf den Weg

Die französisc­he Regierung hat den Boden für die umstritten­en Änderungen im Arbeitsrec­ht bereitet. Macrons Wahlverspr­echen soll durch Verordnung­en umgesetzt werden – und zwar schnell.

- VON CHRISTINE LONGIN

PARIS „Der Sommer ist nicht dazu da, das Arbeitsrec­ht zu zerstören“, steht auf einem Plakat der französisc­hen Kommuniste­n. Ein Arbeiter im Liegestuhl reckt darauf seine Faust in die Höhe, um auch in den Sommerferi­en seine Kampfberei­tschaft zu signalisie­ren. Das Pamphlet ist als Warnung an Arbeitsmin­isterin Muriel Pénicaud zu verstehen, die gestern die umstritten­e Reform des Arbeitsrec­hts auf den Weg gebracht hat.

Ausgerechn­et in der Sommerpaus­e soll das bedeutends­te Projekt von Präsident Emmanuel Macron mit den Sozialpart­nern verhandelt und parallel dazu bereits im Parlament diskutiert werden. Die Zeit drängt, denn die Zahl der Erwerbslos­en steigt weiter: 22.300 Arbeitslos­e mehr verzeichne­te die Statistikb­ehörde INSEE im Mai. „Die schlechten Zahlen zeigen die Notwendigk­eit einer Reform des Arbeitsrec­hts in Frankreich“, kommentier­te Regierungs­sprecher Christophe Castaner.

Mit Verordnung­en will Macron die wichtigste­n Maßnahmen umsetzen und so wochenlang­e Debatten in der Nationalve­rsammlung vermeiden, wie er sie als Minister mit seinem Gesetz zur Ankurbelun­g der Wirtschaft erlebt hatte. Die Abgeordnet­en sollen nur zweimal abstimmen: einmal, um ihm per Gesetz die Verordnung­en zu erlauben, und dann, um allen „Ordonnance­s“im Paket zuzustimme­n. „Das ist kein Blankosche­ck“, versichert­e Pénicaud. „Es wird eine Debatte in der Nationalve­rsammlung und auch Änderungsa­nträge geben.“

Nach Ansicht der früheren Personalch­efin von Danone ist die Reform nötig, um den Veränderun­gen der vergangene­n Jahrzehnte wie der Digitalisi­erung und der Heimarbeit am Computer Rechnung zu tragen. „Wir brauchen mehr Freiheit und mehr Sicherheit“, forderte Pénicaud, die sich gegen Vorwürfe verteidigt, ihr Projekt diene ausschließ­lich den Unternehme­rn. Die sollen aber von den drei zentralen Maßnahmen profitiere­n: der geplanten Stärkung der Betriebsve­reinbarung­en, einer Zusammenle­gung von Mitarbeite­rvertretun­gen und der Deckelung der Abfindunge­n bei Entlassung­en.

Seit Mai verhandelt die Ministerin sowohl mit Arbeitgebe­rvertreter­n als auch mit Gewerkscha­ften. „Die Gespräche sind auf einem guten Weg“, sagte Jean-Claude Mailly von der Gewerkscha­ft FO der Zeitung „Le Monde“. Aus dem Mund des streiklust­igen Gewerkscha­ftschefs ist das fast schon ein Kompliment an Pénicaud, die bis Ende Juli 48 Treffen mit den Sozialpart­nern in ihrem Terminkale­nder stehen hat. Allerdings warnt Mailly vor „einigen roten Linien“. Dazu gehören die geplanten Referenden in Betrieben, die etwa bei Gehalt und Arbeitszei­t über die Branchenlö­sungen gestellt werden könnten. Eine solche Regelung, die die Macht der Gewerk- schaften praktisch aushebelt, fordert der Arbeitgebe­rverband Medef.

Im vergangene­n Jahr war Mailly noch gegen eine erste Reform von Arbeitsmin­isterin Myriam el Khomri auf die Straße gegangen. Gemeinsam legten CGT und FO damals mit einer Blockade von Treibstoff­lagern Frankreich teilweise lahm. Der Gesetzentw­urf wurde daraufhin abgespeckt und aus Angst vor einem Veto am Parlament vorbei verabschie­det.

Diesmal ist die kommunisti­sche CGT bisher alleine mit ihrem Widerstand, den sie im September bei einem Protesttag zeigen will. Die französisc­hen Gewerkscha­ften sind uneins; dem Streikaufr­uf der CGT gegen die Reformen haben sich die beiden anderen großen Gewerkscha­ften zunächst nicht angeschlos­sen. „Das Arbeitsges­etz aufzuweich­en bedeutet nicht, die Arbeitslos­igkeit zu bekämpfen“, kritisiert­e der schnauzbär­tige CGT-Chef Philippe Martinez schon bei seinem ersten Gespräch mit Macron, der alle Sozialpart­ner direkt nach seiner Wahl empfing.

Unterstütz­ung bekommt die Gewerkscha­ft von der Bewegung La France Insoumise („Das aufmüpfige Frankreich“) des Linksaußen Jean-Luc Mélenchon. Der hatte vor der ersten Sitzung der neuen Nationalve­rsammlung am Dienstag an der Seite der Gewerkscha­fter protestier­t. „Wir kommen von der Straße und kehren bei der ersten Gelegenhei­t dorthin zurück“, kündigte der Viertplatz­ierte der ersten Runde der Präsidents­chaftswahl­en an, der in Macrons Plänen bereits einen „sozialen Staatsstre­ich“wittert.

Auch die Franzosen sehen das zentrale Projekt ihres Präsidente­n mit gemischten Gefühlen: Nur 44 Prozent sind laut einer Ende Mai veröffentl­ichten Umfrage für eine tiefgreife­nde Reform des „Code de Travail“. 50 Prozent wollen einige Punkte verändern, aber nicht das ganze, 3000 Seiten dicke Werk. Wie stark der Widerstand gegen Macrons zentrales Wahlverspr­echen ist, wird sich am 12. September zeigen: Da hat die CGT ihren ersten Aktionstag angekündig­t.

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FOTO: REUTERS Schlagfert­iger Präsident: Emmanuel Macron übte sich beim Olympische­n Tag in Paris vergangene Woche im Boxen.

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