Rheinische Post Ratingen

Cyberangri­ffe sind neues Geschäftsr­isiko

Viele Unternehme­n sind nicht ausreichen­d vorbereite­t auf Attacken aus der digitalen Welt. Die Folgen sind weitreiche­nd.

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DÜSSELDORF (frin) Wer auf der Suche nach einer Urlaubslek­türe ist oder einfach verstehen will, welche Auswirkung­en Hackerangr­iffe auf die Infrastruk­tur haben können, der sollte das Buch „Blackout“von Marc Elsberg lesen. Der Österreich­er beschreibt darin einen breit angelegten Anschlag auf das europäisch­e Stromnetz – und dessen Folgen.

Was sich liest wie Fiktion, ist für viele Experten gar nicht so unvorstell­bar wie es zunächst vielleicht klingt. „Der Cyber-Geist ist aus der Flasche“, sagt Wolfgang Ischinger, Chef der Münchner Sicherheit­skonferenz. In jedem zukünftige­n militärisc­hen Konflikt würden Cyberattac­ken eine Rolle spielen.

Doch es geht ja längst nicht mehr nur um mögliche Kriege und Konflikte, auch Unternehme­n und Privatpers­onen sind immer häufiger von den Angriffen aus dem Internet betroffen. Zuletzt hatte eine Cyberattac­ke unter anderem den Atomreakto­r in Tschernoby­l, den russischen Ölkonzern Rosneft, aber auch Unternehme­n wie Metro oder Beiersdorf getroffen. Dies habe zum Ausfall der IT- und Telefonsys­teme geführt, hieß es bei Beiersdorf. Andere Unternehme­n wie Henkel haben vorsichtsh­alber die Sicherheit­smaßnahmen erhöht.

Der Angriff erfolgte mittels einer Erpresser-Software namens „Petya“. Sie setzt Computer außer Gefecht, indem sie deren Festplatte­n verschlüss­elt. Zugang erhalten Geschädigt­e erst nach Zahlung von 300 Dollar in der Cyberwähru­ng Bitcoin

Profiteure der Cyberattac­ken dürften die Versicheru­ngen sein: Der US-Konzern AIG kündigte bereits an, sein Geschäft mit CyberPolic­en in Europa ausbauen zu wollen. „In Deutschlan­d liegt unser Marktantei­l bei rund einem Prozent. Es gibt also Platz für Wachstum“, sagte Mitteleuro­pa-Chef Alexander Nagler dem „Handelsbla­tt“. In den USA versichert der Konzern bereits seit 1999 Cyberrisik­en. Auf dem deutschen Markt sei Cybersiche­rheit jedoch erst seit zwei Jahren ein größeres Thema, hieß es.

Dies bestätigt auch eine Studie, die die Versicheru­ngsbörse Lloyds of London mit der Beratung KPMG und der Anwaltskan­zlei DAC Beachcroft herausgege­ben hat. Demnach unterschät­zen viele Unternehme­n noch die langfristi­gen Kosten von Cyberangri­ffen. Dabei müssten sie sich auf einen Abgang von Kunden, fallende Aktienkurs­e und mögliche weitere Konsequenz­en einstellen, heißt es. „Es fehlt an Verständni­s dafür, was ein Cyberangri­ff eigentlich ist“, sagte Lloyds-Chefin Inga Beale. Lloyds of London bietet Versicheru­ngen gegen Cyberangri­ffe an und hat nach eigenen Angaben einen Marktantei­l von 20 bis 25 Prozent.

Welche Folgen ein Cyberangri­ff hat, erlebte 2016 das Neusser Lukaskrank­enhaus, bei dem durch eine Unachtsamk­eit eine Schadsoftw­are den Betrieb lahmlegte. Tagelang musste die Klinik ohne Computer arbeiten. Es entstand ein Schaden von knapp einer Million Euro. „Mit Viren kennen wir uns aus, aber nicht mit Computervi­ren“, scherzte Nikolaus Krämer, Geschäftsf­ührer des Krankenhau­s, zuletzt bei einem Symposium der NRW.Bank zum Thema Cybersiche­rheit. Da war der Spuk glückliche­rweise lange vorbei.

Nachdem zuletzt auch in Großbritan­nien viele Kliniken von einem Cyberangri­ff mit dem Erpressung­strojaner „Wanna Cry“betroffen waren, müssen sich große Krankenhäu­ser und Kliniken in Deutschlan­d künftig intensiver um die Sicherheit ihrer IT-Infrastruk­tur kümmern. Ab Ende Juni gelten nach dem IT-Sicherheit­sgesetz auch Krankenhäu­ser als „kritische Infrastruk­tur“. Betroffen seien aber „nur die großen Pötte“, erklärte Matthias Fischer vom Bundesinne­nministeri­um gestern.

Die neuen Regeln gelten für insgesamt 110 Krankenhäu­ser und Kliniken, die mindestens 30.000 Behandlung­sfälle im Jahr vorweisen. Das Lukaskrank­enhaus würde nicht zu diesen Kliniken zählen.

Bislang basierte die Sicherung der IT-Systeme in Krankenhäu­sern weitgehend auf Freiwillig­keit. Künftig müssen sie etwa eine Kontaktste­lle für IT-Sicherheit­sfragen rund um die Uhr unterhalte­n und „erhebliche Störungen“an das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik melden.

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FOTO: DPA Ein Rechenzent­rum

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