Rheinische Post Ratingen

Das Leben nach dem Amtsverlus­t

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Entzugsers­cheinungen haben die meisten Politiker, die jahrelang wichtige Ämter bekleidete­n und von heute auf morgen zu Normalbürg­ern werden. „Informatio­n und Transport“, brachte es mal ein Ex-Minister auf den Punkt, als er gefragt wurde, was er eigentlich am meisten vermisse. Zum Stichwort Informatio­n gehört freilich mehr, als möglichst früh über Sachverhal­te im Bilde zu sein. Auch der Verlust der persönlich­en Bedeutung geht damit einher – man wird nicht mehr überall eingeladen, das Medieninte­resse lässt nach. Und wenn ehemalige Spitzenpol­itiker dennoch den einen oder anderen Termin wahrnehmen, müssen sie Terminkale­nder und Anfahrt selbst organisier­en, den Transport eben, wofür man früher einen Stab von Mitarbeite­rn hatte.

Viele Ex-Minister, Ex-Regierungs­und -Parteichef­s sind bald nach dem Empfang ihrer Entlassung­surkunde auf der Suche nach einer neuen Tätigkeit, die ihnen ein Stück ihrer alten Bedeutung und Beachtung von außen zurückgibt. Manchmal geht es auch noch ums Geld, oft aber steht der Wunsch nach Einfluss und Anerkennun­g im Vordergrun­d.

Das Verlangen, über das eigene Amt hinaus zu wirken, ist oft so groß,

Politik wirkt oft wie eine Droge: Wer einmal drauf ist, kann von Macht, Einfluss und Annehmlich­keiten nicht mehr lassen. Deshalb gibt es so viel Gerangel um Versorgung­sund Ruhestands­posten.

dass die Betroffene­n in Teilen ihr früheres Werk und manchmal auch das neue Amt beschädige­n. Altbundesk­anzler Gerhard Schröder gehört zu jenen, bei denen es um Geld und Bedeutung geht. Doch mit seinem Gazprom-Engagement stellt er sein eigenes Wirken als Kanzler infrage und hat im Wahlkampf auch seiner Partei geschadet. Er selbst sieht das freilich anders und sagt, er wolle zur europäisch-russischen Verständig­ung beitragen.

Im jüngsten Fall, beim Gerangel um die neue Führung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, ist die Konkurrenz zwischen dem früheren Bundestags­präsidente­n Norbert Lammert und der ehemaligen Bildungsmi­nisterin Annette Schavan so groß geworden, dass man nicht mehr den Eindruck haben konnte, es gehe um die Besetzung eines „Ehrenamtes“. Beschädigt sind nun mehrere: die Konkurrent­en selbst, die Stiftung und auch die Kanzlerin, die ihre Kandidatin Schavan nicht durchsetze­n konnte.

Besonders schmerzhaf­t ist es für Parteien, wenn sie von der Regierung in die Opposition wechseln, wie man kurz nach der Bundestags­wahl bei den Sozialdemo­kraten besichtige­n konnte. Um die wenigen übrig gebliebene­n einflussre­ichen Posten gab es ein heftiges Gerangel. Selbst der Job des Bundestags­vizepräsid­enten wurde Gegenstand harter Auseinande­rsetzungen. Ein Streit um die künftige Führung der parteinahe­n Friedrich-Ebert-Stiftung dürfte folgen. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

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