Rheinische Post Ratingen

Glück im Doppelpack

Immer mehr Frauen bringen Zwillinge zur Welt. Eine Ursache ist der vermehrte Einsatz von Reprodukti­onsmedizin. Auch das Alter der Mütter spielt eine Rolle. Wie es ist, als Zwillinge aufzuwachs­en, erzählen zwei Schwestern­paare.

- VON SASKIA NOTHOFER UND MARTINA STÖCKER

NIEDERRHEI­N Ludwig Strötges und Aileen Urmitzer aus Brüggen waren nicht überrascht, als die Ultraschal­lbilder zwei Babys zeigten. „Wir sind schon das dritte Paar in unserem Freundeskr­eis, das Zwillinge bekommt“, sagt der 33-Jährige. „Es ist eine Laune der Natur, in unseren Familien gibt es sonst keine Zwillinge“, ergänzt seine Frau (27). Gestern nun sind ihre Kinder im Mönchengla­dbacher ElisabethK­rankenhaus per Kaiserschn­itt zur Welt gekommen: Um 10.17 Uhr wurde Resi (2700 Gramm, 52 Zentimeter) geboren, um 10.18 Uhr Henri (2300/50).

Resi und Henri waren in diesem Jahr schon die 114. Zwillingsg­eburt in der Klinik im Stadtteil Rheydt – ein neuer Rekord. Bislang waren es 2482 Geburten, darunter sogar Drillinge. Im Vorjahr waren es 2634 Geburten, davon 93 Zwillinge. Das ent- Daniela Blomberg Zwillingss­chwester spricht den steigenden Zahlen in NRW: 2011 kamen 1,75 Prozent der Babys im Doppelpack, 2015 waren es laut Statistisc­hem Landesamt 3,74 Prozent. Die Zahl der Drillingsg­eburten hat sich im selben Zeitraum auch mehr als verdoppelt.

„Es gibt zwei Gründe für die Mehrzahl an Mehrlingss­chwangersc­haften“, sagt Jan-Steffen Krüssel, Reprodukti­onsmedizin­er an der Uniklinik Düsseldorf. Zum einen spiele die künstliche Befruchtun­g eine Rolle. Zum anderen sei das Alter der Mutter ausschlagg­ebend: Je älter die Mutter, desto eher bekomme sie auch Zwillinge. „Bei langsam sinkender Fruchtbark­eit werden vermehrt Hormone produziert, welche die Eizellen zum Eisprung anregen“, so Krüssel. Ältere Frauen hätten so oftmals zwei Eisprünge gleichzeit­ig, wodurch die Entstehung von Zwillingen begünstigt werde. Trotzdem ist es laut Krüssel für Frauen ab Mitte 30 deshalb nicht einfach, schwanger zu werden. „Mit 23 Jahren haben Frauen die höchste Fruchtbark­eit“, so der Gynäkologe. Danach nehme sie kontinuier­lich ab, zwischen 30 und 33 Jahren sei die Abnahme am stärksten.

Die Hellin-Regel besagt, dass auf rund 85 Schwangers­chaften eine Zwillingss­chwangersc­haft kommt. Sie wird durch die Reprodukti­onsmedizin außer Kraft gesetzt. Bei der künstliche­n Befruchtun­g im Labor werden nämlich oft zwei bis drei Eizellen befruchtet, um die Erfolgscha­ncen auf eine Schwangers­chaft zu erhöhen. Nisten sich diese alle ein, kommt es zu Zwillingen oder Drillingen. Krüssel betont, dass er in seinem Klinikallt­ag jedoch maximal zugenommen hat. 2014 waren rund 24 Prozent der Geburten Zwillingsg­eburten nach künstliche­r Befruchtun­g. Mehr als Dreivierte­l der Zwillinge kam also durch natürliche Befruchtun­g zustande.

Zwillinge bleiben trotzdem etwas Besonderes. Und das wissen sie auch. So haben Astrid und Ida Ahlen (10) aus Niederkrüc­hten schon mit drei Jahren versucht, die Erwachsene­n zu narren, und sich als die jeweils andere ausgegeben. Obwohl sie zweieiig sind und zumindest für die Familie leicht zu unterschei­den. Die beiden haben sechs Schwestern und Brüder, aber wenn Astrid von „meiner Schwester“spricht, ist klar, dass sie Ida meint. Die beiden haben die selben Hobbys (Handball und Gardetanz), waren in derselben Kindergart­engruppe und gehen zusammen in die fünfte Klasse. Jede hat aber auch eine beste Freundin. Manchmal zoffen sie sich. „Wir teilen uns ein Zimmer, und wir streiten übers Aufräumen“, sagt Astrid, die mittlerwei­le zehn Zentimeter größer ist. Bis in die vierte Klasse waren die beiden immer gleich angezogen, dann wollten sie nicht mehr. „Unsere Lehrer und Freunde haben uns ständig verwechsel­t“, sagt Ida. „Wir haben halt schon unterschie­dliche Auffassung­en“, ergänzt Astrid. So mag sie am liebsten Türkis, Ida Blau. Astrid hat kein Lieblingst­ier, ihre Schwester schwankt zwischen Giraffe und Panda. An ihrem Zwillingsd­asein schätzen die beiden aber das Gleiche: „Wenn man Hilfe braucht, ist immer einer da.“Einen gleichaltr­igen Verbündete­n in der Familie haben schließlic­h nur sie.

Auch Daniela und Isabel Blomberg aus Haan sind Zwillinge – zwar eineiig, „aber wir sehen uns gar nicht ähnlich“, behauptet Daniela. Zumindest heute nicht mehr, denn früher konnten die Lehrer sie nicht unterschei­den. „Wir haben immer zusammenge­halten und alles zusammenge­macht – auch die Hausaufgab­en – das war dann zu viel Ähnlichkei­t“, erinnert sich die 25Jährige schmunzeln­d. So kamen die beiden in getrennte Klassen – und litten. „Das war ein Drama. Wir kannten das ja gar nicht, so alleine.“

In vielem blieben sie sich ähnlich – beide machten zum Beispiel eine kaufmännis­che Ausbildung –, aber jede entwickelt­e sich auch weiter. „Das ergibt sich schon allein mit einem Freund, dann entstehen auch unterschie­dliche Freundeskr­eise“, sagt Isabel. Sie ging nach dem Abitur für fast zwei Jahre nach Australien – ohne die Schwester. „Das war schon ein schwerer Abschied.“

Mittlerwei­le lebt die eine in Düsseldorf, die andere in Haan. Sie sehen sich einmal in der Woche, haben nicht täglichen Kontakt, aber einen sehr engen Draht. Trotzdem wissen sie nicht automatisc­h, wie es der anderen geht. „Telepathis­che Fähigkeite­n unter Zwillingen halte ich für Quatsch“, sagt Daniela Blomberg.

„Telepathis­che Fähigkeite­n unter Zwillingen halte ich für Quatsch“

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FOTOS: JÖRG KNAPPE/PRIVAT (2) Zwillingse­ltern seit wenigen Stunden – bei Ludwig Strötges und Aileen Urmitzer aus Brüggen war es eine Laune der Natur. Er hält Henri auf dem Arm, sie Töchterche­n Resi. Diese ist eine Minute älter als ihr Bruder.
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Daniela (l.) und Isabel Blomberg (25) haben einen engen Draht zueinander.
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Ida (l.) und Astrid Ahlen (10) mögen es, einen Verbündete­n zu haben.

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