Rheinische Post Ratingen

Weltpoliti­k auf Asche

Der türkisch-kurdische Konflikt, Spannungen auf dem Balkan oder der Nahost-Konflikt – immer wieder werden die Krisen der großen Politik auch auf deutschen Fußballplä­tzen ausgetrage­n.

- VON MARC LATSCH

KÖLN 70 Minuten lang dauert die Partie zwischen Türkgücü Rodenkirch­en II und dem SV Botan Köln, dann geht nichts mehr. Zuschauer stürmen auf den Platz, erst die Polizei kann die Lage wieder unter Kontrolle bringen. Nach dem Spiel beschuldig­en sich beide Parteien gegenseiti­g. Die Gäste fühlen sich durch den „Wolfsgruß“provoziert, ein bekanntes Zeichen türkischer Rechtsextr­emisten. Anhänger des SV Botan sollen Parolen der verbotenen Arbeiterpa­rtei Kurdistans (PKK) gerufen haben.

Dass die Situation an einem Sonntag im Februar 2016 derart eskaliert, steht in direktem zeitlichen Zusammenha­ng mit der Situation in der Türkei. Dort kämpft die kurdische Minderheit bereits seit der Staatsgrün­dung für mehr Autonomie. Ein Konflikt, der immer wieder blutig ausgetrage­n wird. Erst im Sommer 2015 ist wieder einmal ein Waffenstil­lstand gescheiter­t, die Friedensve­rhandlunge­n enden. Elf Tage vor dem Spiel in Rodenkirch­en kommen bei einem Bombenansc­hlag auf einen Militärkon­voi in Ankara 30 Menschen ums Leben. Die kurdische Terrororga­nisation TAK bekennt sich zu dem Anschlag.

In diesen Zeiten sieht sich der SV Botan als einziger kurdischer Verein im Fußballkre­is Köln in einer schwierige­n Situation. „Ein Verein wie Rodenkirch­en würde am liebsten nicht gegen uns antreten. Unsere Identität wird weggedacht, das Volk gibt es angeblich nicht. Eine eigene Sprache und Identität ist aber nicht wegdenkbar“, sagt Mittelfeld­akteur Enver. Sein Teamkolleg­e Diyar ergänzt: „Warum fühlen sie sich provoziert durch unsere Fahnen?“Ihre Nachnamen möchten die beiden Spieler nicht in der Zeitung lesen.

Der Konflikt zwischen Kurden und Türken ist aktuell der brisantest­e, allerdings nicht der einzige weltpoliti­sche Konflikt, der auf deutschen Fußballplä­tzen ausgetrage­n wird. Als 2015 der FK Nikola Tesla als serbischer Club in die Hamburger Landesliga aufsteigt, soll er dort in einer Staffel mit dem Klub Kosova antreten. Beide Mannschaft­en sehen die Sicherheit auf und neben Das Fußballspi­el rückt in den Hintergrun­d. dem Spielfeld gefährdet und setzen vor dem Verbandsge­richt eine neue Staffelein­teilung durch. Zwei Jahre zuvor führt eben jener Konflikt zwischen Kosovaren und Serben zu einem Spielabbru­ch in Regensburg.

Auch der TuS Makkabi Berlin, erfolgreic­hster jüdischer Fußballver­ein in Deutschlan­d, hat immer wieder mit den Ereignisse­n im Nahen Osten zu kämpfen. Mehrfach müssen Spiele des Vereins abgebroche­n werden. In der Partie gegen den 1.FC Neukölln soll ein MakkabiSpi­eler von seinem Gegenüber mit den Worten, „ich hole gleich mein Messer und schlitz dich auf“, angefeinde­t worden sein. Es ist die Zeit Die Gastgeber präsentier­en eine riesige türkische Fahne. Die Stimmung ist auf beiden Seiten aufgeheizt. Der SV Botan feiert in den kurdischen Farben. der sogenannte­n „Messer-Intifada“, regelmäßig greifen Palästinen­ser auf diese Art Israelis an.

In Köln trifft man den „Feind“nicht nur im Wettkampf, sondern teilt sich mit ihm auch die Sportanlag­e. Auf einem Ascheplatz im rechtsrhei­nischen Stadtteil Höhenhaus trainieren sowohl der SV Botan als auch Türk Genc SV. Früher gab es direkte Auseinande­rsetzungen, mittlerwei­le geht man sich so gut es geht aus dem Weg. „Der Kontakt beider Vereine besteht nur dann, wenn es sich um die Aufrechter­haltung der Pflichten auf der Sportanlag­e handelt“, sagt Yüksel Senkaya, Vereinsman­ager bei Türk Genc. Er Kurdische Zuschauer beim Spiel in Rodenkirch­en. betont, dass Türk Genc als Multikulti-Verein keinerlei Probleme mit seinen „kurdischen Landsleute­n“habe, mahnt jedoch zum Realismus: „Die Lage zwischen beiden Vereinen ist aufgrund der aktuellen Lage in der Türkei weiterhin angespannt. Deshalb haben beide vor einigen Jahren jeweils einen Antrag beim Sportamt Köln gestellt, dass sie auf getrennten Anlagen ihre Vereinsarb­eit weiter betreiben möchten.“

Dem SV Botan wurde ein Platz angeboten, der jedoch aufgrund seines schlechten Zustands und der Lage nicht in Frage kam. Seitdem warten beide Vereine auf neue Vor-

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