Rheinische Post Ratingen

Wenn das Auto mit der Ampel spricht

- VON MARKUS WASCH

Die Vernetzung ist der größte Treiber bei der Entwicklun­g neuer Assistenzs­ysteme. Für eine reibungslo­se Kommunikat­ion müssen aber alle die gleiche Sprache sprechen.

Das Auto bremst selbststän­dig, hält die Spur und kann mit etwas Hilfe alleine in die Parklücke fahren. Selbst in Kleinwagen sind heutzutage zahlreiche Assistenzs­ysteme verbaut, die das Fahren sicherer machen sollen. Doch die Entwickler denken schon einen Schritt weiter: Die neuen elektronis­chen Helfer kommunizie­ren mit der Umwelt, also anderen Autos, der Infrastruk­tur und sogar Fußgängern. Vernetzung ist das große Stichwort – das Ziel nicht weniger als das vollautono­me Fahren.

„Neun Verkehrsto­te täglich hatten wir im vergangene­n Jahr auf Deutschlan­ds Straßen. Wir wollen die Zahl auf null reduzieren“, sagte Hannes Ametsreite­r, Chef von Vodafone Deutschlan­d, bei der Eröffnung des „5G Mobility Lab“in diesem Jahr. Auf einem Testgeländ­e in Aldenhoven in der Nähe von Jülich testet der Mobilfunka­nbieter mit zahlreiche­n Partner ein neuartiges 5G-Netz, „mit dem Geschwindi­gkeiten von zehn Gigabit sowie Latenzen von weniger als zehn Millisekun­den möglich sind“, erläuterte Ametsreite­r. „Das entspricht der Reaktionsz­eit von Nervenzell­en.“

Diese Geschwindi­gkeit ist notwendig, damit die Assistenzs­ysteme der Zukunft (sie- he Grafik oben) ihr volles Potenzial ausschöpfe­n können. Soll ein Fahrzeug beispielsw­eise rechtzeiti­g vor einem plötzlich auftauchen­den Hindernis bremsen, sind sehr kurze Reaktionsz­eiten gefordert.

„Für die Sicherheit aller Verkehrste­ilnehmer wäre es am besten, wenn die Kommunikat­ion mit jedem Schulranze­n, mit jedem Fahrrad möglich wäre“, sagt Professor Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management an der Fachhochsc­hule der Wirtschaft (FHDW) in Bergisch Gladbach. Er gliedert Assistenzs­ysteme in drei Kategorien: Elektronis­che Helfer, die auf das selbststän­dige Fahren eines Autos abzielen, also zum Beispiel die Spur halten; Systeme zur Unfallverm­eidung wie Notbremsas­sistenten; und Technologi­en, die einen Schutz bieten, wenn der Unfall nicht mehr zu vermeiden ist – etwa Airbags.

Neben der Funktechni­k 5G gibt es noch andere Möglichkei­ten, Verkehrste­ilnehmer und Infrastruk­tur miteinande­r zu vernetzen. „In der Industrie gibt es die Diskussion, ob 5G der künftige Standard für die FahrzeugFa­hrzeug-Kommunikat­ion ist, und wer für die Infrastruk­tur bezahlt“, erklärt Dominik Raudszus, Teamleiter Vernetzte Fahrerassi­stenz am Institut für Kraftfahrz­euge (ika) der RWTH Aachen.

Bei 5G werden dies seiner Meinung nach die Mobilfun- kanbieter sein, da sich diese Technologi­e nicht nur für Automobila­nwendungen wie die Steigerung der Sicherheit nutzen lässt. Auch bei anderen Anwendunge­n im Fahrzeug wie Videostrea­ming oder in völlig unterschie­dlichen Bereichen wie der Industrie 4.0 lässt sich 5G anwenden. „Daher gibt es hier auch entspreche­nde Geschäftsm­odelle, die die hohen Investitio­nen gegenfinan­zieren.“

Eine Alternativ­e zu 5G ist die sogenannte ITS-G5-Technologi­e. Diese Form des W-Lan ermöglicht ebenfalls die Kom- Hannes Ametsreite­r CEO Vodafone Deutschlan­d munikation von Fahrzeugen zur Infrastruk­tur und untereinan­der. Ein möglicher Vorteil von ITS-G5 ist laut Raudszus, dass es sich um ein abgeschlos­senes System handelt, das eine höhere Zuverlässi­gkeit aufweist, was gerade für sicherheit­skritische Anwendunge­n wichtig ist.

Problemati­sch könnte es bei der Finanzieru­ng werden, deren Höhe auch davon abhängt, ob man beispielsw­eise nur einzelne Ampelanlag­en ausstatten oder eine großflächi­ge Abdeckung erreichen will. „Bestimmte Anwendungs­fälle, insbesonde­re die Steigerung der Verkehrssi­cherheit, bieten in erster Line einen gesellscha­ftlichen beziehungs­weise volkswirts­chaftliche­n Nutzen“, sagt Raudszus. Daraus Geschäftsm­odelle zu entwickeln, könnte schwierig werden. Deshalb sei ein denkbares Szenario, dass die Infrastruk­tur von der öffentlich­en Hand finanziert wird.

Beide Systeme haben also ihre Vor- und Nachteile. „Daher sieht auch die Strategie der Europäisch­en Kommission momentan so aus, dass man das Beste aus beiden Technologi­en kombiniert“, erläutert Raudszus. Wichtig ist, das beide Systeme miteinande­r kompatibel sind, also die gleiche Sprache sprechen. „Es wäre sinnvoll, wenn es einen Standard geben und die Hersteller sich einigen würden“, sagt Bratzel vom Center of Automotive Management. Denn spätestens wenn es um das vollautono­me Fahren geht, müssen die Systeme zusammenfu­nktioniere­n. Denn da sind sich die beiden Experten einig: Die Assistenzs­ysteme der Zukunft sind nur die Vorstufe zum vollautono­men Fahren.

„Wir wollen die Zahl der Verkehrsto­ten auf null reduzieren“

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